Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
kippte die Leiter und mit ihr der Tapeziertisch um, was dazu führte, dass nun fast alles zusammenklebte, was an Abdeckfolien, Tapetenstücken, Lappen und Butterbroten auf dem Boden lag, nur nicht die drei Bahnen unserer Wahl. Liebe Kinder, mit Sekundenkleber ist nicht zu spaßen und man sollte ihn immer sofort zuschrauben, damit nichts austreten kann, wenn man aus Versehen da drauftritt. Wir entschieden dann, es mit Annageln zu versuchen. Das sah zwar nicht schön aus, hielt aber die Tapete an der Wand. Bald waren die breitköpfigen Nägel alle und die Geschäfte schon zu, aber wozu hatte ich denn die Bohrmaschine mitgebracht? Den restlichen ›Abhang‹ haben wir angedübelt und verschraubt und uns versprochen, es niemals niemandem zu erzählen. So was nennen die Spanier ›Chapuza deOro‹, was so viel wie Goldpfusch bedeutet.
Auch der Möbeltransport ist ein beliebter Freundessport, bei dem fachmännischer Rat nie schaden kann, wenn teures Hab und Gut durch ein verwinkeltes Treppenhaus transportiert werden muss. Ich hab mal erlebt, wie sich eine Kommode beim Heruntertragen dermaßen in der Geländerkurve verhakte, dass gar nichts mehr ging, weder rauf noch runter. Nach mehrstündigen Beratungen und außergewöhnlichen Versuchsanordnungen wurde schließlich das gesamte Treppengeländer zertrümmert, weil an dem Geländer nicht so viele Erinnerungen hingen wie an der Kommode.
Zu den selbstverständlichen Freundschaftsleistungen gehört natürlich der Verleih von Büchern, Filmen, CDs, Geld, Autos, Werkzeug und was gerade sonst noch transportabel ist. Eine heikle Angelegenheit, riskanter als Blumengießen, Tiere- und Kinderhüten, denn deren Besitzer kommen in der Regel von alleine zurück. Meine beste Freundin Conny musste ich fünfmal anrufen, bis sie mir meinen Nass- und Trockenstaubsauger endlich zurückbrachte. Sie lieferte ihn in einem blauen Müllsack ab und verschwand schnell wieder. Ich brauchte 24 Stunden, bis ich ihn wieder gereinigt, die Verstopfung beseitigt und den Riss im Schlauch geklebt hatte. Die ganze Zeit über habe ich mich wütend gefragt, auf welcher verdreckten Baustelle diese Schlampe ihn wohl ramponiert hatte und wie ich mich dafür erkenntlich zeigen könnte. Ich lud sie zum Essen beim Italiener ein. Da sagt sie nie nein. Als sei nichts im Busch, plauderten wir fröhlich über dies und jenes. Statt dann aber auf die Toilette zu gehen, wie ich vorgab, verließ ich unbemerkt das Restaurant und holte schnell den Hartschaum aus dem Auto, den ich mir extra besorgt hatte, und sprühte ihn kalt lächelnd in den Auspuff ihres Autos. Nach meiner Rückkehr kam sie doch noch auf den Staubsauger zu sprechen und meinte, sie hätte ein schlechtes Gewissen und wolle wenigstens das Essen bezahlen. »Wie du willst«, sagte ich und machte mich rasch vom Acker. Vergnügt fuhr ich nach Hause, doch als ich in die Handtasche griff, um den Wohnungsschlüssel rauszuholen, blieb mir fast das Herz stehen. Ich fasste in eine weiche Würmermasse. Sie hatte mir ihre Spaghetti mit Tomatensoße in die Handtasche geschüttet. In der E-Mail fand ich später eine kurze Notiz von ihr: »Wenn du dich das nächste Mal an den Autos netter Menschen zu schaffen machst, solltest du darauf achten, dass sie dich nicht durch ein Fenster beobachten können.« Sie ist wirklich eine obercoole Sau, aber ich mag sie trotzdem. Nur den Staubsauger, den bekommt sie nie wieder.
ER Freunde
Aus der Reisewerbung kennen wir den Spruch: Sie kommen als Fremder und gehen als Freund. Gemeint ist natürlich: Sie kommen als Opfer in spe und gehen als Mensch, von dem wir jetzt wissen, dass wir ihn auch in Zukunft über den Tisch ziehen können. Einer meiner liebsten Uraltscherze ist sowieso: »Sind Sie Gast in diesem Hotel?« »Nein, ich muss für mein Zimmer zahlen.« Natürlich ist das Wort »Gast« im Kontext der Hotellerie ein recht plumper Euphemismus. Der Hotelgast ist ein Kunde, der für sein Geld das Recht erwirbt, bis zum nächsten Tag, normalerweise elf Uhr, ein Zimmer zu nutzen, für was auch immer. Möchte er essen, trinken oder Pornos sehen, fallen zusätzliche Kosten an. Dabei kann es gute und böse Überraschungen hageln. Als fahrender Sänger habe ich in 35 Jahren so gut wie alles erlebt, von frischen Schamhaaren in alter Bettwäsche bei der Ankunft bis hin zum eigenen Außenwhirlpool, der zum Sprudelbad nach einem Gang in der eigenen Sauna lud. Ich habe die Frage gehört: »Darf ich Ihnen mit dem Gepäck helfen?« Da hatte ich nur
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