Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
gemein s am mit Kehala am Ufer des Sees gefertigt hatte. Sie zerrissen den Lederreif am Oberarm, seinen Gürtel und den Medizi n beutel. Blankes Entsetzen packte ihn, als der Trapper seinen heiligsten Besitz in das Feuer warf. Seinen Schutz. Sein Leben. Ptesawins Kraft verließ ihn, sein Totem war vernichtet. Und was immer sie ihm antun würden, Kehala würde es mit ansehen müssen.
Wie sollte er seinen Platz am Ratsfeuer der Großen Jäger ei n nehmen, wenn er so sein Leben aushauchte? Wie sollte er seine Schuld jemals begleichen?
Im Geiste sah er die Kinder, die Naduah und er niemals haben wü r den. So viel e Erinnerungen, so viele Pläne. Nichts waren sie mehr wert.
Der Hüne schnaufte. Er drückte ihn mit seinem Gewicht zu Boden, nagelte ihn fest und hechelte ihm seinen stinkenden Atem ins Gesicht. Nocona wehrte sich mit aller Kraft. Seine Gliedmaßen kribbe l ten und erwachten zu neuem Leben, doch er war noch nicht stark g e nug, um den Trapper von sich zu stoßen. Sein Zappeln schien dem H ü nen nicht zu gefallen. Er knurrte seinem Freund einen Befehl zu, und das Letzte, das Nocona wahrnahm, war ein auf ihn niederfahrener G e wehrkolben.
Die Wirklichkeit hüllte sich in einen Schleier. Man band ihn und Kehala mit Seilen an den Sattelknäufen fest und zerrte sie vorwärts. Vergeblich versuchte er, den Blick seiner Schwester einzufangen. Unentwegt starrte sie den Boden an, während sie hinter dem Pferd hergezerrt wurde. Keine Regung zeigte sich in ihrem maskenhaften, grausam angeschwollenen Gesicht. Nichts war mehr von seiner Schwester übrig geblieben. Eine Nacht hatte genügt, um ihre Seele vollkommen zu zerstören. Keh a las rechtes Auge war zugeschwollen, ihre Lippen aufgeplatzt. Blut verkrust e te ihre Beine. An beiden Schultern, die vom zerrissenen Leder ihres Kleides kaum verhüllt wurden, zeichneten sich die Male tiefer Bisse ab.
Nocona war es gleich, dass sein Körper kaum besser aussah. Er wusste dank seiner Ohnmacht nicht, was die beiden Männer ihm angetan ha t ten, und er wollte es nicht wissen. All seine Sorge galt Kehala. Ihr nicht helfen zu können, war die furchtbarste Marter.
Man zerrte sie hinter den Pferden her wie gefangene Antilopen. Wenn sie stürzten, wurden sie so lange über den Boden geschl eift , bis sie von selbst wieder auf die Beine kamen. Versuchte Nocona, seiner Schwester aufzuhelfen, ging eine mit Knoten versehene Peitsche auf seinen nackten Rücken nieder, und wollte er sie mit leisen Worten trö s ten, brachte man ihn auf dieselbe Art zum Schweigen. Mehr als einmal gewann s ein Zorn und trieb ihn zu einem Angriff, doch alles, was es ihm einbrachte, waren Stiche und Schnitte mit schmutzigen Messern, die der Hüne ihm mit Genus s beibrachte, während die anderen ihn festhielten. Manche Ve r sehrungen am Körper seiner Schwester und an seinem eigenen zei g ten bereits die ersten Anzeichen drohenden Wundbrands. Wü r den diese Männer sie nicht töten, dann tat es die Natur. Einen endlosen Tag lang durchquerten sie den Wald. Am Stand der Sonne und dem Wuchs des Mooses erkannte er, dass sie nach Norden gingen. Kehala und er waren für die Trapper wie Tiere, die man langsam zu Tode spie l te. Nicht mehr als ein Zeitvertreib für ihren Wahnsinn.
Der Zorn in ihm gärte unberührt von jeder Schwäche. Er wuchs und wuchs, bis er seinen Geist vollkommen vergiftete und all sein Empfi n den daraus bestand. Nocona schloss die Augen und vergrub sich in di e sem Hass, betete darum, ihn vor seinem Tod herauslassen zu kö n nen. Irgendeine Möglichkeit musste sich ihm bieten. Irgendeine We n dung des Schicksals. Und wenn das geschah, würde er keine Gnade ze i gen. Keine Gnade mehr. Niemals wieder, solange er existierte.
Offenbar des Reitens überdrüssig, errichteten die Trapper am Ufer e i nes Baches ein provisorisches Lager. Sie banden Nocona und Kehala an einen Baum, tranken ihren Kaffee, aßen Bohnen . Eine weitere Nacht voller Qualen nahte. Eine Nacht, die Kehala nicht überleben würde. Als sie im Schein der Abendsonne ihre letzte Wegstrecke begannen, glomm bereits der Hunger nach Befriedigung ihrer unheiligen Gelüste in den Augen der Männer . Sein M a gen verkrampfte sich. Alles, was man ihnen gab, waren Schlucke aus der Wasserflasche, doch er hätte ohnehin kein Essen bei sich behalten kö n nen.
„Ich will nach Hause“, hörte er Kehala flüstern. „Bring mich nach Hause, Bruder.“
„Das werde ich.“ Nocona schloss die Augen. Er redete, als spräche ein
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