Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
zurück, neigte andächtig den Kopf und strich mit einem Finger über den Schnitt, den er ihm zugefügt hatte. Unter dem glühenden Blick des Hänflings steckte er ihn sich in den Mund und seufzte, während er ihn ableckte. Der Mann war ein Berglöwe vor dem Sprung, gier te d a nach, die Zähne in zuckendes Fleisch zu graben.
„Ihr werdet diesen Wald nicht lebend verlassen.“ Nocona flüsterte die Worte. Kaum lauter als ein Windhauch, und doch lag in diesem Flüstern all sein Hass und verbrannte ihm die Zunge. „Ich schwöre euch, dass ihr sterben werdet. Niemand wird jemals mehr leiden als ihr. Ihr seid keine Menschen. Ihr seid keine Tiere. Der Große Geist wird euch nicht b e schützen, wenn ich mich räche.“
Mit lüsternem Knurren ließ der Hüne die Spitze des Messers über Noconas Brust gleiten. Er blickte ihm fest in die Augen, hu n ger te nach Angst und Zeichen von Schwäche, doch die würde er nicht bekommen. Niemals. Der Trapper geriet in Wallung, als Nocona ihm nicht das gab, was er wollte. Er bellte irgendetwas, woraufhin sein G e fährte zum Feuer hinüberrannte und einen Ast mit glühender Spitze herauszog. Nocona wusste, was sie ihm antun würden, doch er empfand keine Angst. Nicht vor lächerlichen Dingen wie körperlichen Schmerz. Alles, worum sich seine Gedanken drehten, waren die matten Schmerzenslaute seiner Schwester. Jedes Wimmern traf ihn wie der Schlag einer Kriegsaxt. Jedes Schluchzen spaltete sein Herz. Seine wunderschöne, unschuldige Schwester …
Das Messer des Hünen ritzte erneut seine Haut, doch Nocona blieb stumm und regungslos. Er war starrer, fleischgewordener Hass. Der Trapper atmete in schnellen Stößen, seine Klinge ruhte direkt über dem Herzen. Wenn er jetzt starb, war Kehala verloren. Ihre letzte Hoffnung auf Befreiung lag in seinen Händen.
Er hielt den Atem an, was dem Trapper zu gefallen schien, denn dieser ließ das Messer sinken, beugte sich vor und presste ihm seine riesige Hand auf den Mund. Der Dürre, hechelnd wie ein Hund, schwang e r wartungsvoll seinen Ast. Soweit es die ihn festhaltende Hand zuließ, wandte Nocona den Kopf. Er wollte seiner Schwester wenigstens mit seinem Blick einen Halt in all dem Leid geben, doch sie würde ihn nicht sehen. Kehala war nur ein Schatten, so, wie er für sie in unendlicher Ferne lag.
Das geile Schnaufen des Hünen war ihm gleichgültig, die glühende Astspitze ebenso. Er spürte fauligen Atem an seiner Wange und hörte das Zischen seines Fleisches, als der Ast sich in seine Brust drückte. Schmerz jagte durch seinen Körper, doch er gab keinen Ton von sich. Haut schmolz unter glühendem Holz. Der Hänfling fluchte und trat ihm zwischen die Rippen. Ein kurzes Verkrampfen seines Körpers war alles, was er ihnen bot. Keine Schreie, kein Betteln um Gnade.
Der Hüne brüllte seinen Zorn hinaus. Seine Hand löste sich von Noconas Mund und wanderte tiefer. Er bohrte seinen Finger in die Wunde und drehte ihn hin und her, bis sich ein Keuchen aus Noconas Kehle löste. Verzweiflung löschte seinen Zorn. Er hatte nicht standg e halten. Er hatte ihnen gegeben, wonach sie gierten.
Geknurrte Worte. Zufrieden und triumphierend. Schnaufen, Keuchen und Stöhnen. Wimmern und Weinen. Der Dürre schlug sich auf die Schenkel und zuckte obszön mit den Hüften. Was, wenn auch diese beiden Ungeheuer über Kehala herfielen? Fünf Männer, die sie quälten. Nein, beschwor er sich. Sie würden es nicht tun. Ihre Neigungen bewe g ten sich in eine andere Richtung.
Der Hüne zerschnitt die Fesseln an seinen Hand- und Fußgelenken. Als auch die Seile um Brust und Hüften fielen, wollte er seine aufgestaute Wut in einem wilden Angriff entladen, doch sein Körper, der ihn sonst nie im Stich ließ, sank hilflos in sich zusammen. Seine Glieder waren taub. Gefühllos und nutzlos. Die Männer zerrten ihn hoch und schlei f ten ihn in die Dunkelheit jenseits des Feuers.
Sie würden ihn umbringen. Vor Kehalas Augen. Sie würden ihr die letzte Hoffnung nehmen. Das durfte nicht sein! Seine tauben Muskeln gehorchten ihm noch immer nicht. Zwischen den Heidelbeersträuchern wurde er zu Boden gestoßen. Dreck und trockene Nadeln kratzten über die Brandwunde. Nocona keuchte vor Schmerz. Seine Beherrschung ließ sich nicht mehr aufrechterhalten.
Der Dürre hielt seine Handgelenke fest, während ihm der Hüne den Schmuck vom Körper riss. Die Lederbänder mit den Federn und den Knochenstückchen, die er seit Jahren um den Hals trug. Genauso wie jene, die er
Weitere Kostenlose Bücher