Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
woll t e er zerreißen, in seinem Kopf glühte pulsierende Qual. Verschwommen sah er den nächtlichen Wald vor sich. Die mäc h tigen Stämme der Rotholzbäume, mannshohes Farngestrüpp, im Wind wehende Flechten. Ein Feuer flackerte … der einzig vertraute Anblick, Sehnsucht weckend … in unmittelbarer Nähe standen die Pferde. Man hatte Cetan und Kehalas Stute die Provianttaschen abgeno m men, sie festgepflockt und ihre Vorderläufe mit Seilen zusammengebu n den .
Die Fesseln … der Schmerz …
Erinnerungen, zuerst dunkel vor Grauen, klärten sich langsam. Jede Einzelheit, die sich ihm enthüllte, glich purer Folter. Langsam hob er den Kopf. Es war kein Traum gewesen.
Kehala!
Schatten bewegten sich im Licht des Feuers. Zwei bärtige Männer s a ßen an einen Baumstamm gelehnt und starrten ihn an, ihre Messer ließen sie zwischen den Fingern tanzen. Ein rothaariger Hüne und sein dürrer Freund. Die Gesichter der Männer waren verfärbt und geschwollen, ihre Haut blutb e fleckt. Der Triumph, ihnen Schmerzen zugefügt zu haben, war flüchtig und bitter. Drei Trapper befanden sich jenseits des Fla m menscheines und waren nur als Schemen zu erkennen. Sie beugten sich über eine am Boden liegende Gestalt. Während zwei Männer die Gestalt an den Armen fes t hielten, lag der Dritte auf ihr und keuchte wie ein brünstiges Wil d schwein.
Noconas Verstand verweigerte sich dieser Szene. Er weigerte sich , zu begreifen, was dort geschah. Die einzige Gnade, die ihm zuteil wurde, bestand in der Dunkelheit. Er sah nur Schatten. Grausame, höhnische Schatten.
Nein! Nein, nein, nein.
Nicht seine Schwester! Warum saß er hier und tat nichts? Warum half er ihr nicht? Er mochte kaum etwas erkennen können, doch hören konnte er umso besser. Zorn riss den letzten, gn ä digen Schleier von seinem Bewusstsein. Es war ein Zorn von solcher Macht, dass er jedes menschliche Begreifen sprengte. Er stieß einen Schrei aus, der nicht seiner Kehle zu entstammen schien. Ein wilde s , verstandslose s , tierha f te s Brüllen . Er warf sich gegen die Fesseln, rote Schlieren tanzten auf seinen Lidern. Er zerrte und zog an den Stricke n, bis ihm die Sinne schwanden und Blut auf den Waldboden tropfte, und selbst, als er wus s te, dass er jeden Augenblick das Bewusstsein verlieren würde, kämpfte er weiter. Doch die Seile gaben ihn nicht frei. Bei allen Dämonen, er konnte Kehala nicht helfen. Noconas Verstand ließ nur noch einen Gedanken zu. Er musste diese Ungeheuer töten. Jedes Einzelne, unter unendlichen Qualen. Alles, was ihn umgab, alles, was er empfand, löste sich in l o dernden Zorn auf. Weißes, helles Feuer, in dem selbst seine Knochen zu verglühen schi e nen.
Als der Hüne und der Dürre zu ihm kamen, wurde er ruhig. Der Ro t haarige hockte sich vor ihn und zückte sein Messer, sein Freund bebte vor ungeduldiger Erwartung. Nocona roch den Gestank der schlecht gegerbten Lederkleidung. In der feuchten Wärme der Wälder hatte sie sich in schleimige Fetzen verwandelt. Essensreste hingen im Bart des Hünen, ein Wust aus fettigem Haar ergoss sich auf seine Schulter. Die Glut der Erregung in seinen Augen, hob er das Messer und ließ den Schein des Feuers auf der gezackten, blutverkrusteten Klinge spielen. War es Kehalas Blut? Oder seines?
Die Trapper redeten mit ihm, doch Nocona verstand kein Wort. Er musste nichts verstehen. Alles, was von Bedeutung war, sah er in ihren Augen. Sie gierten nach Schmerz und Erniedrigung. Sie hungerten d a nach, ihn leiden zu sehen, denn für sie waren Kehala und er keine Me n schen, sondern wertlose Kreaturen, die man nach Belieben ausrottete, tötete und quälte.
Seine Ruhe wurde noch tiefer. Die Klinge schmiegte sich an seine Kehle. Es wurde so ruhig in ihm, dass er das Blut durch seine Adern rauschen hörte und das Geräusch seines Herzschlags alles erfüllte. Kein Blinzeln, kein Zucken. Allen Hass, den er empfand, legte er in seinen Blick.
Der Hüne fletschte braunfleckige Zähne und drückte die Klinge in Noconas Haut. Er lachte und schnaufte, grunzte und keuchte, bis er von seinem Gefährten in die Rippen gestoßen wurde. Der Dürre deutete hinüber zu dem Gewirr aus Körpern. Ein kurzer, scharfer Schmerz zuckte durch Nocona s Wahrnehmung. Warmes Blut rann seinen Hals hinab. Der Hüne wandte sich schulterzuckend von der Vergewaltigung ab, als interessier t e sie ihn nicht. Stattdessen heftete sich sein bohrender Blick auf Nocona, scharf wie eine Lanze, brennend wie Gift. Er zog die Klinge
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