Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
Lederbänder. Sie sog seinen Anblick in sich auf. Heute Nacht gehörte er ihr. So, wie sie ihm gehörte. Da war en der Duft nach Salbei, das Geräusch ihres Atems und das Knistern des Feuers. Wohltuende Hitze, die durch ihr dünnes Schlafkleid kroch.
Langsam kam er auf sie zu. Seine Schritte waren zögernd, fast vorsic h tig. Feuerschein spiegelte sich im dunklen Braun seiner Augen.
„Als ich vor vielen Jahren meine Vision suchte, wurden Durst und Hunger unerträglich.“ Seine Stimme schwebte in der Dämmerung. Loc k te sie. Umgarnte sie. „Beides quälte mich so sehr, dass ich mir den Tod wünschte. Aber irgendwann wurde das Verlangen schwächer, bis Durst und Hunger genauso normal waren wie das Atmen.“
Ganz nah stand er vor ihr. Sie roch den Duft seiner Haut. Starrte auf die blauen Lichter im Schwarz seiner offen herabfallenden Haare. Er bückte sich, nahm ein zusammengeschnürtes Salbeibündel, das neben dem Feuer lag, und zündete es an. Behutsam schwenkte er die glimme n den Stängel über ihren Körper. Seine Bewegungen waren langsam und ruhig, doch der Glanz seiner Augen redete eine andere Sprache.
Wortlos überreichte er ihr den Salbei. Sie wiederholte das Ritual, ve r teilte den Rauch mit wedelnden Handbewegungen über seine Haut und segnete ihn damit . Zuletzt warf sie das Bündel ins Feuer, wo es knisternd und duftend ve r brannte.
„Irgendwann begann alles wehzutun “, erzählte er weiter. „Der Schmerz wurde so schlimm, dass ich glaubte, tausend Nadeln wü r den sich in jeden Muskel meines Körpers bohren. Aber dann ve r schwand auch diese Qual. Ich wusste nicht mehr, was Hunger ist. Ich wusste nicht mehr, wie sich Durst anfühlt. Ich brauchte keinen Schlaf mehr und ich vergaß, was Leid ist. Es war, als hätte sich mein Körper aufgelöst. G e nauso, wie sich mein menschliches Denken, Tag und Nacht, Vergange n heit und Zukunft auflösten. Ich sah mich auf Cetan reiten . Vor mir übe r säte eine Armee aus Soldaten das Land mit Leichen. Ich hörte ihre G e wehre und ihre Kanonen. Dort, wo sie über die Prärie hinwegg e fegt waren, blühte kein Leben mehr. Alles war tot und erstickt unter Blut. Ich breit e te meine Arme aus und ritt mitten hinein. Keine Kugel traf mich. Kein Säbel verletzte meine Haut. Ich wusste, dass ich zu stark war, um getötet zu werden. Nachdem ich die Armee hinter mir gelassen hatte, tauchten seltsame, glänzende Türme vor mir auf. Höher als der höchste Baum und so glatt, dass niemand an ihnen hätte hinausklettern können. Jeder dieser Türme besaß Waben wie ein Bienenstock, hinter denen ich Me n schen sah. Die Erde bestand nicht mehr aus Erde, sondern aus glattem Stein, der keinen Atem und keine Pflanze durchdri n gen ließ. Ich sah viele Menschen. So viele wie Sterne am Himmel. Sie alle kannten sich nicht, grüßten sich nicht und liefen einfach aneinander vorbei. Jeder hatte es eilig. Aber ich sah nicht nur Menschen, sondern auch viele andere Dinge in diesem riesigen Dorf. Dinge, für die ich ke i nen Namen und keine Erklärung habe. Ich ritt einfach weiter, immer weiter die harten, leblosen Wege entlang, bis ich das Ende des seltsamen Landes erreichte. Und dort, inmitten bl ü hender Wiesen, sah ich dich. Du hast auf mich gewartet. Du wirst immer auf mich warten. Selbst, wenn dieses Leben lange vorbei ist.“
Seine Finger lösten die Bänder, die ihr Kleid an den Schultern zusa m menhielten. Sie hielt den Atem an. Ihr Blick ruhte auf der Vertiefung in seiner Kehle, verlor sich im Schimmer seiner Haut und im Pulsieren des Blutes darunter. Raschelnd glitt ihr Kleid zu Boden. Sie war nackt. Seinen Blicken ausgeliefert. Flammenwärme kroch über ihre Haut.
„Ich bin nur stark durch dich“ , flüsterte Nocona. „Nur durch dich.“
Seine Hände legten sich auf ihre Hüfte, glitten Stück für Stück höher und schlossen sich um ihre Brüste. Alles, was sie war, bestand aus Err e gung. Sie sah ihren Händen zu, wie sie sich hoben und sich auf die se i nen legten. Erst jetzt wagte sie , aufzublicken . Sein Lächeln war eine Ve r heißung, der Hunger in seinen Augen ein Verspr e chen auf Erlösung. Naduah stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Warm und weich waren seine Lippen. Schmeck t en nach Lust. Als Nocona den Kuss erwiderte, durchlief ein Zucken ihren Körper. Sie brauchte ihn. Sie wollte ihn. Innerlich schrie sie auf, als er sich von ihr löste, einen Schritt zurüc k trat und nach Atem rang. Mit bebenden Fi n gern löste er die Schnüre
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