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Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Titel: Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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brandete noch immer der atemberaubendste Höhepunkt ihres Lebens.
    „Ja?“ , nuschelte sie ins Handy.
    „Sara! Heiliges Kanonenrohr! Was zum Teufel ist los? Wir gehen unter in Arbeit.“
    Ruth. Natürlich. Blinzelnd äugte sie in Richtung Uhr. Es war viertel nach zwölf. Die Muskeln in ihrem Schoss zogen sich noch immer z u sammen.
    „Du willst nicht, dass ich komme“, murmelte sie heiser vor Lust . „Ich würde nur Mist beisteuern.“
    „Sara!“ In Ruths Stimme klang echte Verzweiflung, doch sie empfand kein Mitleid. Diese permanente Hetzerei war doch krank. Sie war unn a türlich. Nach allem, was sie gesehen und gespürt hatte, erschien es ihr unmöglich, wieder an diesem Spiel teilzunehmen. Nocona hatte ein Echo dieser Zeit gesehen. Gläserne Türme, Fenster wie Bienenwaben. Harte, leblose Wege aus glattem Stein, die keinen Atem durchließen und auf denen zahllose Menschen dahinhetzten, die sich nicht kannten und einander nicht grüßten.
    Heute erblickte sie in Visionen die Vergangenheit, damals hatte Nocona die Zukunft gesehen. Zeit war ihr immer als etwas Geradliniges e r schienen. Doch jetzt begriff sie, dass es weit komplizierter war. Zeit war keine Linie. Zeit war ein Netz. Ein Labyrinth, in dem man sich nicht einfach nur vorwärts bewegte. Man ging nach rechts oder nach links. Nach vorn oder nach hinten.
    „Tu mir das nicht an“, jammerte Ruth. „Mir wächst alles über den Kopf.“
    „Ich kann nicht.“ Ihr ganzer Körper pulsierte. Rote Flecken glühten auf ihrer Haut. Die nächsten Worte sprach sie derart leiernd aus, dass Ruth an ihrer Geschichte nicht mehr zweifeln konnte. „Es tut mir leid.“
    „Du verlierst dich.“
    Sara schnaufte. „Ja. Und ich will mich verlieren.“
    Sie drückte Ruth weg und warf das Handy beiseite. Mit einem Sto ß seufzer fiel sie zurück in die Kissen. Nein, das hier war nicht ihr wirkl i ches Leben. Alles verschwamm. Veränderte sich. Ordnete sich neu.
    Zurück … nur zurück.
     

Makah, 2011
     
    E
    r tat einen Schritt nach dem anderen, jeder fiel ihm schwerer als der vorherige. Hinter ihm in der Nähe des Waldrandes rasteten seine Schützlinge. Bis hierher hörte er ihr aufgere g tes Geplapper und Gekicher, mit dem sie den vergangenen Tag verarbe i teten. Viel war nicht geschehen, aber die Übe r querung eines Flusses und die Sichtung einer Wapiti-Herde vermochten es, seine kleine Reisegruppe mit stundenlangem Gesprächsstoff zu versorgen.
    Makahs Nervosität wuchs. Da vorn musste es sein. Die rot schi m mernde Felswand, die durch einen Überhang geschützt wurde. Erinn e rungen holten ihn ein. Kehala und er , unter ein Bisonfell g ekauert , halb schl a fend, halb wachend. Nicht ahnend, dass die Unschuld ihres Lebens bald enden würde.
    Er hielt den Atem an und tat einen weiteren Schritt. Ihm war klar , dass die Visionen so wahrhaftig waren wie diese Wirklichkeit, doch als er die verblassten Zeichnungen erblickte, durchlief ihn eine Schockwelle. Atemlos streckte er den Arm aus. Behutsam strichen seine Finger über den Fels, ohne die hellen Linien zu berühren. Er sah sich selbst, wie er mithilfe eines spitzen Steines die Figuren einritzte. Kehala. Naduah, die mit einer Schale voll Farbe vor ihm kauerte. Tatezis Tod und Cetan, der in einem Zelt herumsprang. Ein Rotholzbaum, der bis zu den Sternen reichte. Ptesawin in Gestalt eines Kindes. Peta und Zuzueca. Icabu und Maka m naya.
    „Makah?“ Eine Stimme ließ ihn herumfahren. Susan, die dralle Brüne t te, die ihn in der vergangenen Nacht von ihrem Zelt aus beobac h tet hatte. Sie war niedlich. Auf die Weise, wie ein pummeliger Zaunkönig niedlich war. Hätte er Sara nicht kennengelernt, hätte er g a rantiert mit ihr geflirtet.
    „Was ist?“ Er wollte nicht ruppig klingen, doch aus seinen Worten ha t te unmis s verständlich der Drang gesprochen, allein sein zu wollen.
    „Kann ich kurz mit dir reden?“
    Sie machte Anstalten, zu ihm zu kommen, doch er hob abwehrend die Hände. „Nicht jetzt. Bitte geh. Später kannst du mir jede Frage stellen, die dir einfällt.“
    Susan versuchte nicht einmal, ihre Enttäuschung zu kaschieren. Mit zusammengekniffenen Lippen und frostigem Blick suchte sie das We i te. Makah sank gegen die Felsen. Der Gedanke, jemand außer ihm oder Sara könnte diese Zeichnungen sehen, erschien ihm aus unerfindlichem Grund unerträglich. Ob in all der Zeit jemand hier gewesen war? Die Stille zwischen den Felsen fühlte sich unberührt an. Uralt. Abendlicht verbreitete zeitlosen

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