Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
nach dem Krieg war die Zeit vor dem Krieg.
Wieder gab er ein Handzeichen und deutete nach Westen. Eine Gru p pe von zehn Kriegern bewegte sich lautlos in die angezeigte Richtung. Ein zweites Zeichen schickte ebenso viele Männer ostwärts. Still und heimlich riegelten sie die Schlucht ab, gingen in Position und bereiteten sich darauf vor, Flüchtende mit schnellen Schüssen aus dem Dunkeln abzufangen.
Unheilschwangere Stille summte in Noconas Ohren. Die Blätter der Bäume rauschten , ein Hund kläffte. Vielleicht hatte der aus Westen w e hende Wind ihm die Witterung der Männer zugetragen. Die Wachmä n ner e r hoben sich und spähten ins Dunkel, gaben jedoch keinen Alarm. Das Lager blieb ruhig. Jemand spielte auf einer Flöte, was Noconas g e fror e nen Geist zum Schmelzen brachte, denn das Instrument klang wie einer der hohlen Knochen, auf denen Kehala gern ihre Melodien spielte.
Entschlossen wischte er seine Gefühle beiseite. Das hier war keine Zeit, schwach zu werden. Hier und jetzt galt nur ein Gesetz: Wir oder unsere Feinde.
Niemand durfte überleben und seine Nachricht in den Osten tragen. Keine einzige Seele. Aber was würde er tun, wenn es galt, Kinder und Frauen zu töten? Kinder, die ihn an Quanah erinnerten. Frauen, in deren Augen er Naduah oder Kehala sah? Nocona legte seine Hand auf Cetans dampfenden Hals und schloss die Augen. Verfluchte die Zeit, in die er hineingeboren worden war. Verfluchte den Frieden, der nur durch Tod bewahrt werden konnte.
Als er einen Blick auf Icabu warf, sah er nichts als blanke, nach Befri e digung schreiende Mordlust. Viel zu nah an dem Wahnsinn, den er d a mals in den Augen der Trapper erblickt hatte. Die Erscheinung seines Freundes war eine der Furchterregendsten im ganzen Trupp. Schwarze und rote Farbe bedeckte sein dünnes, scharfes Gesicht, ein Fächer aus Stachelschweinborsten ragte von seinem Hinterkopf auf, getrocknete Skalps baumelten an seinem Gürtel und am Grashalfter seines Pferdes. Makamnaya hätte keinen größeren Kontrast zu diesem Dämon bilden können. Unglücklich hockte er auf seinem Pferd und schien sich weit fort zu wünschen .
„Tu es endlich.“ Icabu ließ sein Pferd steigen. „Worauf wartest du, großer Lanzenträger? Ich will ihr Blut schmecken. Ich will ihre Kehle n aufschlitzen. Sie liegen dort unten wie Rehkitze und warten auf ihren Tod.“
Nocona blieb starr. Sein Instinkt flüsterte ihm zu, dass es noch nicht so weit sei. Noch einen Moment. Die Farbe auf seinem Gesicht trockn e te und spannte. Naduah hatte ihn mit blassen, roten Schlangenl i nien verziert, das gleich e Muster wie bei seiner ersten Schlacht im Fort Parker. Ihm war, als spürte er noch immer die Wärme ihrer Finger. Wo war das leidenschaftliche Fieber, das ihn sonst befallen ha t te, wenn er in den Krieg zog? Wo war sein kämpferisches Feuer?
Schwäche machte seine Glieder schwer, doch er durfte sich ihr nicht hingeben. Frieden würde es erst geben, wenn sie die Flut aus Eindrin g lingen endgültig zum Versiegen gebracht hatten.
Er hob den Arm und gab den drei wartenden Kriegern an der Spitze das Zeichen zum Angriff. Damit war der Tod der Siedler beschlossen. Alles ging einfach und schnell. Mithilfe von Pumafellen verset z ten die Männer die Rinder und Pferde in Panik, die erschrockenen Tiere rissen ihr Gatter ein, machten Zelte dem Erdboden gleich und trampe l ten alles nieder, was ihnen im Weg stand. Der Triumph katapultierte Nocona zurück in jene Zeit, da er nichts anderes gewesen war als ein Krieger, geboren, um für das Wohl seines Volkes zu kämpfen und zu töten. Der Geschmack nach Vernichtung lag bereits auf seiner Zunge. Bittere Süße, schale Befriedigung.
Icabus Pfeil durchschoss die Kehle eines Wachmanns. Schreie endeten in feuchtem Gurgeln. Eine Frau kreischte . Nocona stieß seinem Hengst die Ha c ken in die Flanken. Die Kraft des Tieres explodierte und trug ihn mitten hinein in das Chaos. Seine Pfeile töteten drei Menschen, ehe Cetan den Ring aus Planwagen durchbrach und die errichteten Palisaden mit einem gewaltigen Satz überwand.
Der Widerschein brüllender Flammen tauchte den Nachthimmel in die Farbe verfaulter Kürbisse. Wie damals, als er Naduah das erste Mal b e gegnet war. In der Hölle von Fort Parker. Die Siedler starben schnell, fanden kaum Gelegenheit zur Gegenwehr. Der letzte noch lebende Scout schlug Haken wie ein Hase, während er sein Gewehr stopfte. Nocona glitt vom Pferd, riss den Mann zu Boden und zögerte keinen A u
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