Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
besser?“
„Manchmal.“ Er lächelte, doch unter diesem Lächeln schwärte Verbi t terung. Ihr Vater zeigte es nicht, aber Naduahs Instinkt ließ sich nicht täuschen. „Es ist etwas, mit dem ich leben muss. Was nützt es, wenn ich damit hadere?“
„Ich wünschte, ich könnte dir helfen.“
„Du hilfst mir durch deinen Anblick, kleines Feuer. Durch das Wissen, dass du glücklich bist. Vertrau meinem Gespür, Nocona ist bald wieder bei dir.“
G emeinsam setzten sie ihre Arbeit fort. Naduah schabte an ihrer Hirschhaut und behielt Quanah im Auge, Mahto bemalte sein Schild. Kinder und Hunde rannten zwischen den Zelten umher, allen voran Wanapin. Feuer rauchten, Eintöpfe dufteten, Frauen zankten mit ihren Männern, Greise saßen beim Würfelspiel zusammen. Es tat gut, Seite an Seite mit Mahto zu arbeiten. Nur wenn sie den schlafenden Quanah ansah, kam der Schmerz mit aller Macht zurück.
Der Mittag ging, der Nachmittag kam. Als der Nebel zu weichen b e gann und milchigen Sonnenschein hindurchließ, hallten Schreie durch das Dorf.
„Gelbe Haare! Viele Gelbe Haare !“
Verwundert blickte sie auf, sah eine Frau mit zwei Kindern den Hügel hinablaufen und warf ihrem Vater einen Blick zu.
„Händler.“ Er lächelte beruhigend. „Mit allem dabei, was wir nicht brauchen, nie gebraucht haben und niemals brauchen werden.“
„Händler tragen Zeichen, die von Weitem sichtbar sind.“ Den Rest i h rer Gedanken sprach sie nicht laut aus . Wenn es Händler wären, hätte die Frau nicht geschrien. Sie hätte sie erkannt. Außerdem reisen Händler nie in großen Gruppen.
Naduah nahm Quanah samt Trage, drückte ihn an ihre Brust und b e obachtete den Hügelkamm. Vier Männer tauchten auf, dunkle Scha t ten im hellen Sonnenschein. Zwei weitere kamen hinzu. Dann drei, vier, sieben, elf, zwanzig …
Eine wimmelnde Schar bewegte sich durch das Gras auf sie zu. Reiter folgten. Viele Reiter. Dann Männer mit W a gen , auf denen keine Ha n delswaren lagen. Keine Gewehre, keine Kessel, kein Tand in irgendwe l chen Schachteln.
Es waren Kanonen.
„Naduah!“ Mahto ließ Pinsel und Schale fallen. Als er sich aufrichtete, traten seine Muskeln wie aus Holz geschnitzt hervor. „Nimm Quanah und geh ins Zelt. Sofort!“
„Vater, ich …“
„Geh!“ Die Angst in seinen Augen schockierte sie. Ein Eissturm fuhr durch ihre Adern. Die Beine wollten sie kaum tragen, ließen sie nur zi t ternd taumeln. Immer mehr Männer kamen über den Hügelkamm. Mehr Soldaten, mehr Pferde, mehr Kanonen. Eine schwer bewaffnete Armee strömte auf sie zu wie eine tödliche Flut.
„Versteck dich, kleines Feuer. Vielleicht suchen sie nach dir.“ Mahto stürmte ins Tipi und kehrte mit Bogen und Köcher zurück. Als sie noch immer wie erstarrt war, wurde seine Stimme zu einem Schreien: „Ins Zelt mit dir! Los! Ich habe dir nie etwas befohlen, aber jetzt muss ich es. Ve r steck dich!“
Sie taumelte. Griff noch einmal nach Mahtos Schulter, sog den A n blick seines Gesichtes in sich auf, spürte seine Wärme und seine Stärke. Sie sah in seine Augen und spürte, wie die schweren Zöpfe über ihren Handrücken streiften. Dann wurde sie gepackt und ins Innere des Zeltes gestoßen.
„Bleib dort. Egal was passiert. Bleib im Zelt!“
Naduah drückte die Trage, in der Quanah hing, fest an ihre Brust und schob das Fell ein Stück zurück, um zu sehen, was geschah. Die Armee erreic h te das Dorf. Unheilvolle Stille senkte sich über alles, erstickend und kalt. Keine Schü s se. Keine Schreie. Noch nicht.
Sie betete, die Lippen an Quanahs Stirn geschmiegt. Der Kleine blieb still, als wüsste er, dass sie ihn innerlich darum anflehte. Ein Mann, in die Uniform eines Generals gekleidet , ging an der Spitze der Armee, flankiert von einem grauhaarigen, alten Kiowa und einem blo n den Burschen.
Von der anderen Seite des Dorfes her näherte sich der Häuptling samt seinen Lanzenträgern, die ohne ihren Anführer nichts weiter waren als eine unvollkommene Einheit ohne ihr schlagendes Herz. Der Häuptling ging ruhig und mit erhobenem Kopf, doch sah man genau hin, erkannte man seine Angst. Furcht um das Dorf. Furcht um das Leben der Me n schen, die unter seinem Schutz standen.
Er, der General und die Lanzenträger standen lange beieinander. Sie redeten, mal leise, mal laut, hin und wieder aufbrausend. Irgendwann hielt der blonde Bursche einen Pfeil empor. Naduah sah das leuchtende Rot, mit dem er bemalt worden war, und sie wusste, dass ihre Gebete, alles
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