Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
Entfernung. Nur ihre blutbefleckte Kruppe erinnerte an die Wahrheit. Sie musste die Spuren verfolgen, um ihren Vater zu retten.
Wäre doch nur Nocona bei ihr. Ihre Sehnsucht lähmte sie, zwang sie zu Boden, ließ jeden Atemzug zu einer Last werden.
„Komm zurück“, flüsterte sie. „ Wir brauchen dich. Komm z u rück.“
Den Weg zurück zum Dorf nahm sie kaum war. Als sie endlich a n kam , roch sie den Tod. Naduah glitt von Siyos Rücken und fühlte sich , als wäre sie ein Geist unter Geistern.
Qualm zerkratzte ihre Kehle, doch die Schmerzen gehörten nicht zu ihr. Sie war ein Körper ohne Wille n, der über das hinwegschritt, w as einst ihr Dorf gewesen war.
Vor ihr lagen Leichen, zerstörte Zelte und erschossene Pferde. I r gendwo hinter dem beißenden Gestank schwebte noch immer d er G e ruch nach So m mer. Hu ka starrte aus leeren , aufgerissenen Augen zu ihr auf . Neben ihr lagen die Pflanzen verstreut , die sie gesammelt hatte, um Mahtos Schme r zen zu lindern.
Über einer Feuerstelle, die nicht zerstört worden war, kochte Ei n topf. Hunde stritten sich um Streifen getrockneten Fleisches, die heru m lagen, weil man sämtliche Gestelle zerstört hatte.
N och immer lag das Hirschfell v or Hukas Tipi . Es war noch lange nicht fertig. Sie musste es zu E nde bringen. Mahtos Schild lehnte an einem Pfosten, daneben Schalen voller Farbe und der noch immer feuchte Pinsel. Sie ging zu dem qualmenden Haufen, der einmal ihr Z u hause gewesen war. Ganz in der Nähe lag eine alte Frau. Sie war längst tot, doch noch immer floss Blut aus ihrem zerschossenen Rücken.
Lange stand Naduah da, die Lippen an Quanahs Stirn geschmiegt, und starrte die Greisin an. Erst ein vertrauter Name, von einer ebenso ve r trauten Stimme geschrien , durchbrach ihren Traum.
„Makamnaya!“
H inter Rauch und Nebel sah sie Kehala über ihrem Gelie b ten kauern. Er war blutüberströmt und lag mit ausgestreckten Gliedm a ßen neben seinem toten Pferd. Naduah ging auf das Paar zu.
„Lass mich nicht allein.“ Kehala rüttelte an Makamnayas Schultern. Über seinem gewaltigen Körper wirkte sie wie ein kleines Kind, das ve r suchte, seinen schlafenden Vater zu wecken. „Bleib bei mir. Ich werde deine Frau, hörst du? Ich werde für immer an deiner Seite sein, wenn du zurückkommst. Makamnaya!“
Naduah setzte Quanah ins Gras und kniete sich neben den bewusstl o sen Krieger. Die Wunde, die sich quer über seinen Bauch zog und viole t te Gedärme hervorquellen ließ, sah grausam aus, war aber nicht tödlich. Man musste nur alles zurückstopfen und die Haut zunähen. Im Geiste hörte Naduah die Stimme ihrer Mutter .
„Wasch die Wunde aus. Entferne alles, was nicht hineingehört. Nähe ihn zu, koche das Leder für die Verbände in Sonnenhutwasser.“
Naduahs Blick schweifte über die Zelte. War es ein Lichtblick, den i h nen der Große Geist inmitten von Finsternis sandte? Mahtowins Zelt war eines der wenigen, die zwar zerstört, aber nicht verbrannt worden waren.
„Ich bin gleich zurück“, sagte sie. „Er wird leben. Das verspreche ich dir.“
Naduah rannte zum Tipi. Hatte sie zuvor nichts gefühlt, brannte ihr Körper nun vor Lebendigkeit. Das Herz in ihrer Brust raste, während sie das Nötige zusammensuchte . Es raste derart, dass ihr schwindlig wurde und ihr Körper vom Scheitel bis zu den Fußsohlen kribbelte. Sie fragte sich, ob Mahtowin noch lebte. Wohl kaum, denn sie hätte ihre Heiligt ü mer niemals allein gelassen.
Naduah fand Rohlederschachteln mit Heilkräutern, Beutel voller So n nenhut und saubere Lederstreifen. Sie raffte alles zusammen, brachte es zu Makamnaya, nahm einen Kessel und holte Wasser vom Fluss. Sie kochte einen Sud, säuberte die Wunde des Kriegers, stopfte die Eing e weide zurück, nähte das Fleisch zusammen und legte ihm einen Verband an. Nur kurz kehrte Makamnayas Bewusstsein zurück. Sein Blick huschte verwirrt umher, als verstünde er nicht, was geschehen war. Dann fiel er wieder in tiefen Schlaf. Ein gnädiger Zustand.
„Wo ist Peta?“ fragte Naduah, während sie die Lederstreifen vorsichtig verknotete. „Hast du sie gesehen?“
„Ich weiß es nicht.“ Kehala wiegte ihren Oberkörper vor und zurück. „Weiß es nicht … sie ist weg … weg. Bestimmt tot. Wie alle anderen. Sie haben meinen Vater, Naduah. Sie haben alle Männer mitgenommen. Auch Mahto?“
Naduah blickte zu Boden und nickte . Ein Krieger kam herbeigerannt, schwang sich auf den Rücken eines verwundeten Pferdes und
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