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Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Titel: Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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wird Zeit, dass sie das begreift. Lass dich nicht aus dem Zelt jagen. Zeig ihr, dass du ein Mann bist. Ein Krieger. Der Häuptling dieses Stammes.“
    Ja, das sollte er tun. Am besten noch heute. Die Kälte des Morgens kroch unter sein dünnes Jagdhemd und verwandelte seinen Atem in bleiche Wolken. Eine Zeitlang ritt er am Rande des Canyons entlang, beobachtete, wie die Sonnenstrahlen seine Tiefe mit Licht fluteten und die bizarre Welt aus Sand, Steinen und Wasser immer wieder neu bema l ten. Hier, wo die Schlucht eng war, rauschte der Fluss wild und zornig dahin und ließ keinen Baum Wurzeln schlagen. Doch als die Sonne am höchsten stand, öffnete sich der Canyon und enthüllte lichte Wälder. Sanft floss der Strom durch ein weites Tal, wand sich wie eine Schlange und tauchte in der Ferne zwischen Felswänden unter.
    Vogelgesang lag in der Luft. Nocona lenkte Cetan ein en Abhang hi n unter, ließ ihn am Ufer des Flusses zurück und ging zu Fuß weiter. In das leuchtende Grün des Pappelwaldes einzutauchen, besänftigte seine Seele. Es war besser, den liebenden Mann zu vergessen und an seiner s tatt den Jäger hervor zu holen. Den lautlosen Schatten, den kein Schmerz berüh r te. Behutsam schlich er am Ufer des Flusses entlang. Der Wind trug seine Witterung davon, die staubige Erde ve r schluckte seine Schritte. Mit scharfem Blick musterte er seine Umgebung und nutzte das Spiel aus Licht und Schatten, um mit dem Wald zu ve r schmelzen.
    Als ihm in einiger Entfernung ein rötlicher Schimmer auffiel, verharrte er still hinter einer Pappel. Drei Weißwedelhirsche kamen zum Trinken an das Ufer, staksten den Abhang hinunter und ließen ihre Ohren z u cken. Nocona hielt den Atem an. Jeder winzige Laut konnte ihn verraten, jedes unbedachte Fingerzucken. Binnen eines Wimpernschlags hatte er entschieden, welches Tier er töten würde. Die Hirschkuh musste leben, um Kälber zur Welt zu bringen, das zweite Tier war erst in diesem Jahr geboren worden und zu jung, das dritte ein Kalb vom letzten Jahr und die perfekte Beute.
    Nocona zog einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn an. Der Wind ging nur sacht, er würde das Geschoss kaum ablenken. Etwa zwanzig Pferdelängen trennten ihn von seinem Opfer. Der vertraute Rausch packte ihn, ließ alles bis auf das Tier in weite Ferne rücken, schärfte seine Sinne und verlangsamte die Zeit, bis es sich anfühlte, als gäbe es in dieser Wirklichkeit nur noch ihn und seine Beute. Gerade zuckte Noconas Zeigefinger, bereit, die Sehne losschnellen zu lassen, als ein vernehml i ches Kratzen durch die Stille hallte.
    Die Tiere warfen sich herum und verschwanden mit eleganten Sprü n gen zwischen den Pappeln. Beim großen Geist, alles war umsonst gew e sen. Was immer dort an den Bäumen schabte, es hatte sämtliche Beute weit und breit vertrieben.
    Vermutlich war es ein Bär, der seine Krallen wetzte. Oder ein Puma. Bewegungen nahe am Flussufer fielen ihm ins Auge, und als er sah, was dort mit verbissenem Eifer an einer jungen Pappel herumkratzte, durc h fuhr ihn ein heißkalter Schock.
    Ein Weißer!
    Ein junger Mann, blond und schmächtig, mit einer unförmigen Hose, die nur durch zwei Riemen an seinem Körper gehalten wurde. Mit einem Messer bearbeitete er den Baum und schien Zeichen hineinzuritzen.
    Nocona war fassungslos. Ein Weißer hier? An dem Ort, den er für a b solut sicher gehalten hatte? Seine Gedanken arbeiteten fieberhaft. Ve r mutlich handelte es sich bei diesem Mann um einen Pionier, ausg e schickt, um neue Gegenden zu erforschen und auf ihren Nutzen für die nie endende Siedlerflut zu untersuchen. Er wusste, dass sie an Bäumen oder Felsen oft Nachrichten für nachfolgende Entdecker hinterließen, manchmal zusammen mit nützlichen Dingen, die sie irgendwo vergr u ben.
    Dieser Mann war nicht allein.
    Nocona spannte den Bogen und ließ seinen Pfeil fliegen. Lautlos durchschlug er den Kopf des Mannes. Ebenso lautlos sackte der We i ße zusammen und hauchte sein Leben aus, noch ehe er auf dem Boden aufschlug. Nocona hastete zu dem Leichnam. Ja, er war echt. Keine Einbildung. Weiße hatten diesen Canyon entdeckt und würden andere hierher führen, wenn sie entkamen. Unter der schmutzigen Kle i dung des Mannes fühlte Nocona sämtliche Knochen. Ein weiter, mü h samer Weg lag hinter diesem G elben Haar. Zwei grässliche Narben z o gen sich quer über sein Gesicht, ein Ohr war abgeschnitten worden, zwei Finger sta n den in einem seltsamen Winkel ab.
    Stimmen zerschnitten die Stille.

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