Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
jemals so g e schmerzt wie das hier. So lange waren sie Arm in Arm eingeschl a fen, glücklich über jeden Moment der Zweisamkeit. Oft hatten sie die halbe Nacht mitei n ander geredet, über wichtige und unwichtige Dinge, über ihre Zukunft und ihre Vergangenheit. Und jetzt? Jetzt saß er hier wie ein geprügelter Hund.
„Rede mit mir, Naduah. Sag mir, was los ist.“
Sie antwortete nicht. Er streckte die Hand aus und streichelte ihre Schulter, ohne ihr eine Regung zu entlocken. Unvermittelt gewann seine Wut Oberhand.
„Ich habe es satt, hörst du? Wenn du mich wieder willst, komm zu mir. So lange gehe ich davon aus, dass ich dich nur störe.“
Am liebsten hätte er seinen Frust hinausgeschrien, aber um Quanah s willen blieb er still. Mit einem unterdrückten Knurren nahm er seine Decke, schlüpfte aus dem Zelt und marschierte in die Prärie hinaus. Dort, wo der ausgedörrte Fluss sich tief in das Land hineingeschnitten hatte, legte er sich auf die Schräge ein er Böschung, zog die Decke bis zur Nase hoch und konzentrierte sich darauf, nicht noch mehr Flüche lo s zuwerden. Er musste sich beruhigen. Wut machte alles nur noch schlimmer. Hier gab es weder ordentliche Bäume, gegen die er treten konnte, noch Steine, um sie brüllend durch die Gegend zu werfen. Und seine Entrüstung war zwar groß, aber nicht groß genug, um gegen eine der Feigenkakteen zu treten.
Eine Weile spielte er mit dem Gedanken, auf Cetan in die Nacht hinauszureiten, um die Gedanken, die auf ihn einströmten wie stechende Feuerfliegen, endlich loszuwerden. Doch er entschied sich dagegen. Besser, er ließ sich von der Stille der Prärie beruhigen. Langsam glitt der Mond über das gegenüberliegende Ufer. Nocona beobachtete sein frie d volles Wandern, und während er düster brütend dalag, begriff er die Angewohnheit der meisten Männer, Frauen lediglich als nützliche A r beitskraft zu sehen und so viele um sich zu scharen, wie es der eigene Reichtum an Pferden zuließ. Keine Liebe zuzulassen, hatte einen en t scheidenden Vorteil. Man gehörte nur sich selbst. Man lag nicht leidend wie ein alter Köter im Gras und hoffte auf die Gnade einer hinterhält i gen Krötenechse, der man sein gesamtes Dasein zu Füßen gelegt hatte.
Er musste schlafen. Seine Kraft schwand, und der Weg war noch weit. So sehr er Naduah liebte, es durfte nicht sein, dass sie ihn Nacht für Nacht um seinen Schlaf brachte. Von fern war der Gesang einiger Mä n ner zu hören. Zwei Flöten sandten ihre zerbrechlichen Laute in die We i te der Nacht hinaus.
Er schloss die Augen und ließ sich von ihrem Klang davontragen.
Das Licht des Sonnenaufgangs ließ den Canyon in tausend Farben schi l lern. Es kroch durch die Schluchten und Gänge, überhauchte die Felsn a deln und verlor sich in den verzweigten Rissen. Noch im Schatten li e gend, kauerten sich knapp dreißig Zelte an die Ufer des smaragdgrünen Flusses, umringt von Bäumen.
Wie ein Traum lag die Schlucht inmitten der verbrannten Wü s te. Es gab kein besseres Versteck. Selbst Trecks, die in unmittelbarer Nähe vorbeizogen, würden diesen Canyon nicht entdecken, es sei denn, sie kannten die kleinen, feinen Zeichen der Natur, die Wasser und Leben verrieten. Aber d ass jemals Weiße hierherkamen, war unwahrschei n lich. Die Staked Plains galten in ihren Kreisen als lebensfeindliche Wüste, in der es nichts zu holen gab. Nur den Tod.
Noch vor der ersten Morgendämmerung war Nocona zur Jagd aufg e brochen. Nach wie vor ließ Naduah seine Nähe nicht zu. Seit sie im Canyon lebten, zog er es vor, allein unter den Bäumen zu schlafen, alle n falls mit Wanapin als treue Gesellschaft. Manchmal kam Quanah zu ihm, doch sobald Naduah seine Abwesenheit auffiel, holte sie ihn wieder zurück.
Bald würde ihr Kind geboren werden. Vielleicht, und darauf baute all seine Hoffnung, würde der böse Geist sie dann endlich verlassen. War das nicht der Fall, musste er darüber nachdenken, sich eine andere Frau zu nehmen. Oder er würde, so wie es jeder Mann an seiner Stelle tun würde, einfach sein Recht einfordern. Macht ausüben. Ihr zeigen, dass er noch immer der Stärkere war.
Es waren erbärmliche Gedanken, zumindest seiner Empfindung nach, und doch verspürte er die unleugbare Lust, sie in die Tat umzuse t zen. Nocona wusste, dass man über ihn lachte. Niemals ohne Respekt, doch so manchem Krieger war sein Verhalten gegenüber Naduah unbegrei f lich.
„Sie ist deine Frau“, hatte selbst Makamnaya gesagt. „Es
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