Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
ihren Weg wieder auf, und ihm war, als wäre Quanahs Seele im Laufe der letzten Nacht um mehrere Jah r zehnte gealtert. Jetzt, da sie nicht mehr auf den Rücken ihrer Pferde saßen, erschien ihm der Horizont der Ebenen noch gewaltiger und en d loser. Es fühlte sich falsch an, zu Fuß zu gehen. Sie waren Reiter, Nom a den zu Pferde. Verwachsen mit ihren Tieren, stark und schnell nur durch sie. Noch nie war er auf seinen eigenen Beinen eine so weite Str e cke gelaufen. Langsam wie eine Schnecke und plump wie ein Truthahn. Wenn sie am Abend rasteten, hatte er das Gefühl, sich am gleichen Ort schlafen zu legen, an dem er aufgewacht war.
„Bald“, sagte Quanah eines Tages, während sie durch das hohe Gras wanderten , „werde ich sein wie du. Ein Mann, der vor niema n dem in die Knie geht und der kämpft bis zum Letzten.“
„Vergiss nicht, dass deine Mutter genauso tapfer und stark ist wie ich. Vergiss nicht, dass Weiße es waren, die mir das Leben gerettet hatten. Alles hat immer zwei Seiten, Quanah. Nie sind alle Menschen böse, und nie sind alle gut. Egal aus welchem Volk sie stammen. Krieg ist nötig, um unser Land zu verteidigen. Aber am Ende bringt er immer nur eins. Leid auf beiden Seiten.“
„Wenn wir alle eine Aufgabe haben“, fragte Quanah nachdenklich, „was ist dann das Ziel?“
„Ich weiß es nicht. Noch nicht.“ Nocona blickte zu Boden. Beobac h tete, wie zarte Halme unter seinen Füßen zerknickten. Staubwolken wi r belten auf. Die Sonne verbrannte die Erde und verwandelte sie in asch e feinen Staub.
„Ich habe Träume“, sagte Quanah. „Und in diesen Träumen bin ich der Letzte unseres Volkes, der übrig bleibt. Ich stehe vor einer gewaltigen Armee, aber ich habe keine Angst. Ich bleibe einfach stehen, und ich weiß, dass sie mir nichts tun können. Weil ich stark bin. Stark hier drin.“ Er legte die Hand auf seinen Brustkorb. „Deswegen gebe ich nicht auf. Nein, ich fange lieber ganz neu an.“
Nocona sah ihn an. Lange und nachdenklich. Das Gefühl, dass alles einem vorherbestimmten Weg folgte, überwältigte ihn schier. Fast mei n te er, die ferne Zukunft bereits vor sich zu sehen. Noch verschleiert von Nebel, aber in Schemen erkennbar. Alles war fremd, verwirrend und sonderbar, nicht zu vergleichen mit dem, was er kannte. Aber immerhin versprach es ein Ziel. Einen neuen Anfang.
„Du kannst alles verlieren, Quanah. Aber solange du Stolz hast und nicht vergisst, wer du bist und woher du kommst, können sie dir nichts anhaben.“
Der Junge schmiegte sich an ihn. Vor ihnen lagen die freien, grenze n losen Ebenen. Der Heimat des Windes und der Nunumu.
Eines Tages würde es die Aufgabe seines Sohnes sein, dieses Land zu verteidigen. Und obwohl er ihm noch kaum bis zur Brust reichte, sah Nocona bereits jetzt den Mann vor sich, der Quanah einst sein würde.
Unbeugsam. Stolz. Nicht das Ende im Blick, sondern den Anfang.
Naduah, 1858
I
m Schutz der Felsen, die die Farbe getrockneten Blutes besaßen, wuchs das Schilf mannshoch. Naduah lag an Noconas Seite auf einer Sandbank, träumte vor sich hin und war seit Langem wieder ungetrübt glücklich. Halb vom grünen Wa s ser umspült, halb von der Sonne u m schmeichelt, genoss sie das Gefühl des feinen Sandes unter ihrem nackten Körper, das Rascheln des Schilfs und N o conas behütende Nähe. Sie waren sicher in ihrem Canyon, der letzte Kampf lag Monate zurück. Seltsam, wie schnell das Grauen ve r blasste. Trügerisch, wie selbstverständlich sich der Frieden anfühlte, wenn er eine Weile angedauert hatte.
Als Nocona begann, sie zu streicheln, schlaftrunken und warm, wand sie sich seufzend unter seinen tastenden Fingern. Sie versank in seinen Küssen, die mal zärtlich waren, mal ihre Lippen mit gierigem Hunger verschlangen, und sog jeden Sinneseindruck mit einem Hunger auf, der sie von Kopf bis Fuß erzittern ließ. Sie bestand nur noch aus Erregung und Wonne. Während er langsam in sie glitt, sie nach endlosen Auge n blicken endlich ganz erfüllte, flüsterte er ihr mit einem schelmischen Lachen Worte ins Ohr:
„Wenn der Wind mir durch das Haar weht, weiß ich, dass du dich in meinem Herzen bewegst.“
Den gesamten Nachmittag über lagen sie im Sand, liebten sich, nasc h ten Fleisch und Früchte, rekelten sich in der Sonne und ließen sich hin und wieder ins Wasser gle i ten, um ihre erhitzten Körper abzukühlen. Die Zeit floss träge dahin, der Tag schien von endloser Dauer zu sein. Z u letzt hatte sich Naduah so
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