Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
Sie wollte nicht an die Vergänglichkeit denken, nicht an Abschied und nicht an die Welt jenseits des Sonnenuntergangs. Der Sommer war flüchtig. Sobald der Herbst nahte, würden die Krieger wieder ausziehen, um den Ruf au f recht zu erhalten, niemand könne die Nunumu und ihr Land bezwi n gen.
„Wir werden eines Tages gemeinsam an den Feuern der Großen Jäger si t zen.“ Sie streckte sich auf ihm aus, küsste seine Stirn, seine Schultern und die blassen Male auf seiner Brust. „Das ist unsere Zukunft. Wir gehen den Pfad der Geister und sehen uns wieder. Dort, wo sich alle Toten wiede r sehen.“
Nocona brummte etwas, das sie nicht verstand. Er umfing ihren Kopf mit den Händen, küsste sie, bis ihr die Sinne schwanden, warf sie he r um und drängte sich zwischen ihre Beine. G enau das war es, was sie brauc h te. F ühlen, dass sie zusammen waren. Ihn spüren, schm e cken, und alles andere vergessen.
Ein leises Husten riss Naduah aus ihrem Rausch. Sie fuhr hoch und entdeckte Pecan, der zwischen den Birken stand und Kohana am Zügel hielt, de n schwarze n Hengst, de r an Cetans Stelle getreten war. Kurz d a rauf tauchte Asa hinter ihm auf. Zart und liebreizend wie ihre Mutter. An ihrem Bein klebte der alte, klapperdürre Wanapin.
„Geht zurück, ihr kleinen Wiesel.“ Nocona vollführte eine wedelnde Handbewegung. „Habt ihr nichts Besseres zu tun? Und was machst du mit meinem Pferd?“
„Es mag mich“, sagte Pecan.
„Das sehe ich. Aber es ist zu wild für dich. Geht und trainiert mit e u ren Ponys.“
Pecan und Asa kniffen die Augen zusammen und legten di e Köpfe schief, als wären sie durch ein magisches Band geko p pelt. Was sie für ein schönes Paar abgaben. Es war unmöglich zu übersehen, dass sie füre i nander geschaffen waren. Zwei Wesen, schwerelos und lieblich wie Schwalben, die gemeinsam durch den Sommerhimmel flogen. Gut mö g lich, dass es an ihrer Voreingenommenheit als Mu t ter lag, aber Naduah war sicher, dass Pecan das schönste Kind war, das sie j e mals erblickt hatte. Er war sogar schöner als die meisten Mä d chen, was ihm zwar nicht den Respekt seiner männlichen Altersgenossen einbrac h te, wohl aber die Bewunderung der Weiblichen. Zum Bedauern zahlloser Mä d chen war Asa jedoch die Einzige, mit der er sich abgab. Tagein, tagaus waren sie unzertrennlich. Sie spielten, jagten und trainierten gemeinsam, hockten stundenlang an Fluss, schliefen Seite an Seite und waren untrös t lich, wenn sie ohne den anderen sein mussten.
„Macht ihr mir eine Schwester?“ , fragte Pecan nach ausführlicher Mu s terung. „Ich hätte gern eine Schwester.“
Naduah gluckste. „Vielleicht. Du wirst es bald wissen. Jetzt geht und lasst uns allein.“
„Quanah will uns nicht bei sich haben“, schimpfte Asa, während sie den struppigen Kopf des alten Hundes tätschelte. „Er sagt, wir sind zu klein und zu schwach. Er sagt, wir sollen lieber mit den Mädchen das Zöpfeflechten üben. Und er sagt, dass er Wanapin in Scheiben schneidet und röstet, wenn wir mal nicht hinschauen.“
Nocona rollte die Augen. „Sag deinem Bruder, Pecan, dass ich ihn vor aller Augen über s Knie legen werde, wenn er euch oder den Hund noch einmal beleidigt. Und sag jedem, der an euch zweifelt, dass er damit auch an mir zweifelt.“
„Dein Vater ist der Beste“, zischte Asa leise. „Ich mag ihn.“
„Bald gehörst du zu unserer Familie “, tröstete Pecan sie. „ Ich werde dich he i raten und du wirst mir viele Kinder schenken. Dann ist mein Vater auch dein V a ter.“
„He, ihr beiden“, brachte sich Nocona in Erinnerung. „Meint ihr nicht, dass ihr mit solchen Planungen zu früh dran seid?“
„Nein“, erwiderte Pecan trocken.
„In Zeiten wie diesen“, fügte Asa hinzu, „kann man gar nicht früh g e nug anfangen.“
„Aha“, brummte Naduah. „Darüber reden wir noch. Jetzt macht, dass ihr verschwindet.“
Pecan nahm Asa an die Hand und verschwand mit ihr und Kohana zwischen den Birken. Der sonst so launische Hengst folgte den b e i den , als wäre er ein braver, alter Hund. Naduah tauschte mit Nocona einen Blick. „Quanah ist der Stärkere“, überlegte sie. „Aber Pecan ist hübscher. Und es gibt keinen Jungen, der besser mit Pferden umgehen kann.“
„Er muss hübsch sein.“ Nocona strich versonnen mit dem Daumen über ihre Lippen. „Bei einer solchen Mutter. Er ist dir wie aus dem G e sicht geschnitten.“
„Nein“, säuselte sie. „Eher aus deinem.“
„Er hat das Beste
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