Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
nackte Haut. Schwarze Mähne, schwarzes Haar.
„Es ist erst richtig“, hörte sie im Geiste Mahtos Stimme, „wenn du weißt, was dein Tier denkt und wenn dein Tier weiß, was du denkst. Ihr verständigt euch durch Zeichen, die andere nicht einmal wahrnehmen. Du liest aus dem Zucken der Pferdeohren, ob Gefahr naht und von welcher Art sie ist. Du spürst die winzigste Regung der Muskeln unter deinen Beinen und weißt, was dein Pferd tun wird, wie es sich bewegen wird und was es fühlt. Eine Regung von dir, und sei es nur ein Blinzeln, die Art wie du atmest , oder ein unauffälliger Blick, wird genügen, um dein Tier verstehen zu lassen. Wenn es richtig ist, Tochter, dann redet der Nunumu ohne Worte mit seinem Freund. Leben und Tod hängen d a von ab, wenn du im Krieg bist oder die Büffel jagst.“
Unter Naduahs Faszination wurzelte Neid. Jeder Mann und jede Frau des Stammes waren gute Reiter, doch nicht jedem Nunumu gelang es, mit seinem Tier eine Einheit zu bilden. Sie bezweifelte , ob sie es Nocona jemals gleichtun konnte. Aufmerksam beobachtete sie das Miteinander zwischen den beiden und hoffte, daraus zu lernen. Träumerische Leic h tigkeit lag über dem Paar. Ihr Neid versickerte, während sie spürte, wie Noconas Ruhe in sie überging. Offenbar war er niemand, der sich lange mit Zorn und Enttäuschung aufhielt. Huka hatte Recht. Ihn zu beobac h ten schenkte Frieden. Seine Bewegungen, seine gesamte Präsenz besaß etwas, das außerhalb dieser Welt lag, und jeder, der sie auf sich wirken ließ, konnte nicht umhin, alles andere auszublenden.
Lange währte dieser träumerische Augenblick nicht. Ein Schrei zerriss den Zauber, beantwortet aus vielen Kehlen. Der Büffeltanz begann. Mädchen stoben durcheinander, holten Muschelschalen voller Farbe und nahmen Aufstellung. Alle Krieger, die tanzen würden, fanden sich abseits der Menge zusammen. Auch Nocona gesellte sich zu ihnen, widerwillig, wie es den Anschein machte.
Nackt bis auf den Lendenschurz legten die Tänzer ihren Schmuck an. Ketten aus Bärenklauen, Harnische aus Knochen, Adlerfedern, Streifen aus Fell und Büschel aus Rosshaar, die sie sich in das Haar steckten. Manche Männer befestigten Bisonfelle an ihren Schultern und setzten gehörnte Masken auf. Zu guter Letzt marschierte eine Gruppe kicher n der Mädchen auf sie zu. Naduah sah, wie mehrere gackernde Präriehü h ner darum stritten, Nocona bemalen zu dürfen. Eifersucht kochte auf. So manches Band wurde während dieser Zeremonie geknüpft. Auch sie hätte unter diesen Frauen sein können, doch was war beeindruckend daran, inmitten einer schnatternden Schar um die Aufmerksamkeit eines Mannes zu buhlen?
Aus zusammengekniffenen Augen beobachtete sie das Geschehen. Ein Mädchen trug nach wildem Gezänk den Sieg davon, drängte ihre Konkurrentinnen beiseite und zog sich mit Nocona auf eines der am Boden liegenden Felle zurück. Mit Genugtuung nahm sie seine stoische Gelassenheit wahr, die durch keine zärtliche Bemühung beseitigt werden konnte. Das Mädchen war ihm gleichgültig. Mit wachsender Verzwei f lung bemalte sie seine Haut, ohne dass ihre Liebkosungen auch nur die leiseste Reaktion auslösten. Weiße Schlangenlinien im Gesicht, auf den Armen und schließlich – Naduah durchfuhr ein heißer Stich – auf seinen nackten Schenkel.
Nach Vollendung des kleinen Rituals stand er auf und marschierte zum Entsetzen des Mädchens wortlos davon. Fassungslos star r te sie ihm hinterher. Naduah wusste, dass Schadenfreude etwas Niederes war, und doch sie aalte sich darin. Der Rhythmus der Trommeln schwang sich mit ihrem Herzschlag höher und höher. Dumpfes Beben hallte durch ihren Körper. Sie verließ ihren dunklen Platz und rückte näher an den Tan z platz heran, erfüllt von wilder Err e gung.
Unter plötzlich einsetzendem Geschrei stürmten Bisons und Jäger herbei. Die Männer mit den Tiermasken sprangen um die Flammen herum und versuchten, ihren Verfolgern zu entwischen, die ihrerseits mit Lanzen nach ihrer Beute stießen und unsichtbare Pfeile auf sie abscho s sen. Es war kaum möglich, Nocona in diesem ungezügelten Reigen au s findig zu machen. Manchmal erhaschte sie das geisterhafte Leuchten seiner Bemalung und wenn das geschah, spannte sich jeder Muskel ihres Körpers an. Der Tanz wurde wilder. Schreie, Trommeln, Triumphlaute, das Stampfen von Füßen und helles Trällern vermischten si ch zu einer schwindelerregenden Vision, die Naduahs Geist in einen Strudel aus Entzückung riss.
Ein
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