Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
Großer Gott, er wol l te diese Frau. Mit Haut und Haaren und in jeder Hinsicht.
„Es ist … schwierig.“ Sara klang wie ein unsicheres Kind. In ihm e r wachte der überwältigende Drang, sie zu beschützen und in seinen A r men zu trösten. Leider war das unmöglich. Er war hier, irgendwo im Nirgendwo, und sie in einem Hochhaus in New York.
„Wäre es möglich, dass du zu mir kommst?“ , stieß sie hervor.
„Du meinst nach New York?“
„Ja.“
„Unmöglich, tut mir wirklich leid.“ Zu seiner eigenen Verblüffung war das absolut ernst gemeint. Seit seiner Rückkehr aus London verabsche u te er Städte, und doch verspürte er den überwältigenden Wunsch, sich augenblicklich in den nächsten Flieger zu setzen. „So gern ich auch wü r de, aber ich kann nicht.“
„Ich komme für alle Kosten auf.“ Ihre Stimme nahm einen flehenden Ton an. Nur noch eine hauchdünne Membran trennte ihn von einer unvernünftigen Tat. Wenn sie nicht aufhörte, würde er alle Verpflichtu n gen sausen lassen. Er würde „ J a !“ rufen, ihr Angebot annehmen und schnellstmöglich nach New York eilen.
„Flug, Hotel, Verpflegung“, beeilte sie sich zu sagen. „Der Verlag übernimmt alles.“
„Das ist nett von dir.“ Er seufzte. Seine Sehnsucht, Sara wiederzus e hen, kämpfte mit dem Wissen um Dutzende Menschen, die auf seine Hilfe angewiesen waren. Und mit seinem Stolz, der keine Almosen a k zeptieren konnte. „Warte bitte einen Moment, ja?“
„In Ordnung.“
Er drückte eine Hand auf den Hörer und wandte sich an Isabella. „Kann jemand für mich einspringen? Es geht nur um zwei Tage. Höch s tens drei.“
Ihre Reue schien echt zu sein. „Tut mir leid, aber wir brauchen dich. Rick und Thomas sind krank, Roberto in Great Falls. Wir haben längst nicht genug Helfer, um alle Anfragen zu erledigen. Wenn du auch noch weggehst, dann …“
Isabellas Stimme brach, in ihrem Blick schwammen Tränen. Makah gab einen Stoßseufzer von sich. „Tut mir leid“, sagte er in den Hörer, „ich kann hier nicht weg. Es gibt niemanden, der für mich einspringen kann. Wäre das nicht so, würde ich kommen. Das musst du mir gla u ben.“
Sara gab etwas von sich, das wie ein Lachen klang. „Was soll ich sagen? Mir geht es wie dir. Ich kann nicht weg. Frühestens Mitte Mai.“
„Dann nehmen wir Mitte Mai. Ich weiß, dass du letztens nicht freun d lich empfangen wurdest, aber ich werde dafür sorgen, dass es beim nächsten Mal besser läuft. Versprochen. Gib mir deine Ankunftszeit durch, und ich hole dich vom Flughafen ab.“
„Mache ich.“ Ihre Stimme klang nicht mehr ganz so unglücklich. Ein warmes, zärtliches Gefühl regte sich in seinem Inneren. Der Drang, Sara an sich zu ziehen und sie festzuhalten, war unerträglich. Niemals hatte eine Frau seinen Beschützerdrang derart gefordert. Nicht einmal Isabella. Zu wissen, dass Sara unerreichbar war, tat körperlich weh.
„Sobald ich meine Zeiten weiß, rufe ich dich an. Und bitte, ich will nicht, dass du denkst, ich würde … du weißt schon.“
„Keine Sorge, das denke ich nicht.“ Und ob er daran dachte. Falls Sara im Mai zu ihm kam, würde er für nichts garantieren können. Im Geiste lagen sie bereits ineinander verkeilt auf seinem Sofa. Oder im Heu. Oder auf der Wiese. Er musste dringend aufräumen, bevor Sara zu ihm kam. Nicht einfach nur die Sachen von A nach B schieben oder unter den Teppich kehren, sondern richtig aufräumen. Inklusive Staubwischen und Fensterputzen.
„Ich glaube zu wissen, warum du mit mir reden willst“, fügte er hinzu. „Wegen der Visionen, oder?“
Sara schwieg. Er hörte ihren schleppenden Atem. Kleine Seufzer, leises Geraschel. „Du etwa auch?“
Er hätte nicht überrascht sein sollen, und doch erschreckte ihn die Ta t sache, dass er mit seiner Vermutung Recht behielt. Das Schicksal heckte Pläne mit ihnen aus. Es verband Sara und ihn, und er wäre ein Lügner gewesen, hätte er behauptet, es würde ihm keine Angst einjagen.
„Wir reden darüber, wenn du hier bist, okay? Vielleicht brauchen wir die Zeit, um nachzudenken. Und wenn die Visionen wieder zu dir ko m men, dann wehre dich nicht dagegen. Sie gehören zu dir. Sie sind dein Schicksal. Genauso wie meines.“
„Aber …“
„Es ist besser, wenn wir das unter vier Augen besprechen. Hab keine Angst. Du bist nicht verrückt.“
„Also gut. Dann sehen wir uns in ein paar Wochen?“
„Versprochen. Mach ’ s gut, Sara.“
„Du auch. Bis bald.“
Wie betäubt
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