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Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Titel: Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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Moos für ein weiches Lager. V iel Nahrung. Es wird nicht lange dauern, bis wir wieder so aussehen wie früher.“
    Aussehen wie früher? Ob das noch möglich war? Ihre Haare waren glanzlos und verfilzt. Ihr Gesicht bleich und eingefallen und ihre Augen umrahmt von dunklen Schatten. Nocona befreite die Pferde von Sätteln, Gepäck und Zügeln, zog sich bis auf den Lendenschurz aus und machte sich daran, mithilfe seines Messers ein paar junge Fichten zu fällen. Er sammelte Äste, verdrehte Rindenstreifen zu Seilen und häufe einen Berg Tannenwedel auf. Irgendwann, als sein Kö r per bedeckt war von Schweiß und die Nachmittagssonne auf ihn niederbrannte, fühlte er sich unb e schreiblich herrlich. Stark wie ein Dutzend Bären und bereit, einer A r mee die Stirn zu bieten. Sie hatten etwas vollbracht, das die meisten für unmöglich hielten. Sie hatten dem Tod in s Auge geblickt und den D ä mon des Frostes besiegt. Ein Spruch besagte: Wenn du alle Schmerzen dieser Welt durchlitten hast, dann kommt die Weisheit.
    Nocona grinste vor sich hin. Wenn sie zurückkehrten, würde Naduah ihn bewundern und besingen. All die fiebrig heißen Träume, in denen er sein goldhaariges Blauauge nackt durch das Zelt jagte, würden endlich Wirklichkeit werden. Ihm wurde schwindlig vor Erregung.
    Bald, beschwor er sich, würden sie zueinanderfinden.
     

     
    Keine hundert Schritte vom Lager entfernt stieß er auf einen prächtigen Weißwedelhirsch. Furchtlos stand das Tier da, und als es ihn lang genug angestarrt hatte, schritt es graziös zum See, ohne sich weiter um ihn zu kümmern.
    Lange lag sein Pfeil still auf der Sehne. Als der Hirsch das Trinken b e endete und sich anschickte, in den Wald zurückzukehren, traf ihn die Steinklinge mitten ins Herz.
    „Ich war bedürftig“, sprach Nocona das Dankgebet. „Ich habe dir Schönheit und Anmut genommen. Ich habe deine Seele von ihrem wel t lichen Leib getrennt. Nie mehr wirst du in Freiheit laufen, weil ich b e dürftig war. Ohne dich muss ich hungern und werde schwach. Ohne dich bin ich nichts.“
    Er brach das Tier auf, fertigte aus Ästen und Tannenzweigen eine Tr a ge und schleppte es im schwindenden Licht der Abenddämmerung zum Lager. Die Leber verspeisten sie roh, die besten Stücke vom Fleisch rösteten sie über dem Feuer.
    Halb verrückt durch den köstlichen Duft, verschlangen sie das Fleisch, noch ehe es gar war, machten sich über das frisch gebackene Rohrko l benbrot her und labten sich an den Farntrieben, die Kehala gesammelt hatte. Zwei Graufüchse tauchten aus dem Dickicht auf, wagten sich bis auf zwei Pferdelängen heran und verfolgten das Mahl mit hungrigen Blicken. Nocona warf ihnen Fleischstücke zu, was die Tiere noch näher herantrieb. Bald lagen sie im Schein des Feuers wie zahme Hunde und leckten sich die Schnauzen. Eulenrufe leiteten sie durch die Nacht, und als der Halbmond über dem See aufging, huschten wie zu Hause in den Plains Fledermäuse über das spiegelglatte Wasser.
    So verbrachten sie jeden Abend und jede Nacht, während sie die mei s te Zeit des Tages verschliefen im Dämmerlicht der Hütte. Langsam kehrten ihre Körper zu ihrer früheren Stärke zurück. Sie badeten im See, sammelten Schaumkraut und wuschen sich die verfilzten Haare. Stu n denlang saßen sie nackt im Sonnenschein auf einem der flachen Steine, kämmten sich gegenseitig oder fertigten Schmuck aus Muscheln, Federn und Vogelknochen, ganz so, wie es die ersten Menschen getan hatten, erschaffen am Anfang aller Zeiten.
    Abends stopften sie Fleisch in sich hinein, Fett, Rohrkolbenbrot, in Ahornsaft geschwenkte Farntriebe und Wurzeln, während die Graufüc h se so zutraulich wurden, dass sie streichelnde Hände duldeten und sich neben dem Feuer zusammenrollten. Nocona verspürte eine sonderbare Form von Glück, die von dem Wissen rührte , das natürlichste aller L e ben zu führen. Doch durch die Benommenheit kämpfte sich von Tag zu Tag mehr Sehnsucht nach seinem Dorf, nach seinen Eltern. Nach Naduah. Ein verblasstes Leben verließ den Nebel der Ferne und gewann wieder Macht über ihn.
    „Wir müssen weiter.“ Eines Abends, als der Frühling sich dem Ende zuneigte, betrachtete er die Mondsichel. Hauchzart schwebte sie auf dem tiefen Blau der Dämmerung. „Ich will nach Hause.“
    Kehalas Traurigkeit schlug ihm entgegen. Sie liebte diesen Ort, und sie liebte ihr neues Leben, doch es kam kein Wort der Klage über ihre Li p pen. Nicht an jenem Abend und nicht, als sie am nächsten

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