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Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Titel: Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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Morgen die Hütte abrissen, die Feuerstelle mit Steinen bedeckten und ihre Pferde beluden.
    Viele Tage lang ritten sie nach Westen. Sie durchquerten weite Täler, in denen die Bäume licht standen und das Wild zahlreich war. Bald darauf kamen Wälder, so dunkel und finster, dass Nocona glaubte, den Atem der Geister in seinem Nacken zu spüren. Granitfelsen, bleich wie ausg e dörrte Knochen, ragten über ihnen auf. Manche glichen dem Himmel zustrebende n Pfeiler n , andere bildeten Tore und Bögen, in denen der Wind seine uralten Geschichten erzählte.
    Als der Mond wieder abnahm, durchquerten sie eine trockene, karge Wüste. Mit jedem Tag wurde es wärmer. Fast glaubte Nocona, bereits das ferne Donnern des ewigen Wassers zu hören.
    „Die Weißen, die wir gestern gesehen haben, waren das Landverme s ser?“ Kehala sprach zum ersten Mal an diesem Tag. Sie hatten sich a n gewöhnt, ihre Gespräche auf das Nötigste zu beschränken, sodass sie inzwischen mehr Gesten und Blicke benutzten als Wörter. Niemals w a ren sie einander so nah gewesen. Es schien fast, als verstünden sie sich jetzt, da sie kaum mehr Sprache benutzten, auf einer viel tieferen, natürl i cheren Ebene.
    „Ich denke schon.“
    „Sie bestimmen, wem welche Erde gehört, nicht wahr? Und dann zi e hen sie Zäune, damit niemand ihr Stück Land betritt.“ Kehala senkte den Blick. Ihre Finger teilten die Mähne der Stute. „Denkst du, sie werden das auch mit dem Land machen, auf dem wir leben? Wie viele Weiße kann es denn noch geben? Wie viele können noch kommen, wenn schon Tausende hier sind?“
    „Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ihr Stamm gewaltig ist und dass sie nie genug bekommen. Das Land ist groß, aber wenn noch viele Me n schen mit solchem Hunger kommen, wird es nicht groß genug sein.“
    Kehala schwieg. Wieder vergingen Tage, ehe sie erneut miteinander redeten, und dann auch nur, weil seine Schwester aus einem Al b traum erwachte.
    Irgendwann wurden die Wälder, die die Wüste abgelöst hatten, von unbekannten Bäumen durchmischt. Es gab Farne und dicke Teppiche aus Moos, Flechten, feuchtwarme Luft, gewaltige Bäume und gurgelnde Bäche. Diese Wildnis war uralt und totenstill . Entstanden am B e ginn aller Zeiten und erfüllt von mächtigen Geistern .
    Dann, als die Strahlen der Mittagssonne Säulen aus Licht in den finst e ren Wald malten, sah er ihn.
    Seinen Rotholzbaum.
    Er war makellos gerade, strebte in vollkommener Perfektion dem Himmel zu und bildete erst weit jenseits aller anderen Wipfel seine ersten Äste aus. Es war ein Wesen von solch majestätischer Schönheit, dass ihm keine Beschreibung gerecht werden konnte. Ein Baum der Götter. Ein wahrhaft heiliger Schatz, der ihm die beste Medizin geben würde, die ein Mensch sich wünschen konnte. Wortlos glitten sie von ihren Pfe r den. Nocona legte eine Hand auf die Rinde des Baumes, erfühlte das Leben darunter und ließ seinen Blick an dem Stamm emporgleiten, der so dick war, dass ein Dutzend Menschen ihn nicht hätte umfassen kö n nen. Der Wipfel mit seinen fedrigen Zweigen verschwamm im Hochn e bel. Er lehnte seine Stirn gegen den Baum. Ihm war, als berührte er eine Gottheit. Behutsam zog er ein Stück Rinde vom Stamm ab, steckte es in seinen Medizinbeutel und murmelte ein Dankgebet. Sein Ziel war e r reicht. Endlich konnten sie nach Hause. Endlich würde er Naduah wi e dersehen und um sie werben können.
    „Bruder“, raunte Kehala. „Hörst du das?“
    Er vernahm nichts , nur diese absolute, gespenstische Stille . „Was meinst du?“
    Kehala legte beide Hände um ihr Gesicht und strahlte wie das kleine Mädchen, das längst der Vergangenheit angehörte. „Das ewige Wasser ist ganz nah. Ich höre die Wellen. Du etwa nicht?“
    Kehala schwang sich auf ihre Stute, ohne seine Antwort abzuwarten, und ritt davon. Nach und nach wurde der Wald immer dichter. Die Ro t holzbäume nahmen an Zahl zu, einer gewaltiger als der andere, bis sie mit ihren dichten Kronen jegliches Sonnenlicht verschluckten und alles, was unter ihnen lag, in immerwährende Dämmerung tauchten. Teppiche aus Moos wuchsen auf schwarzer Erde.
    „Wie seltsam hier alles ist.“ Angesichts einer riesigen, gelben Nack t s chnecke gingen Kehalas Augen über vor Staunen. „Niemand wird uns glauben, wenn wir davon erzählen. Sieh dir nur diese Blüten da hi n ten an. Sie sind größer als meine Hand.“
    Wieder trieb sie ihre Stute an und verschwand im Nebel zwischen den Baumstämmen. Nocona stand nicht

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