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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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missbrauchen.«
    »TBK?«, wiederholte Apolonia mit brüchiger Stimme. »Das ist doch die Terroristengruppe, die vor acht Jahren die Regierung stürzen wollte. Das waren Motten?«
    »So ist es. Damals vor acht Jahren hätten wir alle beinahe unsere Freiheit verloren; wäre der Plan des TBK in Erfüllung gegangen, würden wir heute unter der Diktatur eines grausamen Tyrannen leben, eines Tyrannen mit Mottengaben. Kannst du dir vorstellen, wie katastrophal es wäre, wenn jemand in einer solchen Machtposition übersinnliche Kräfte hätte und keine Moral?« Neveras Wangen glühten, und ein Funkeln lag in ihren Augen, das erst allmählich wieder erlosch. Behutsam stellte sie ihre Teetasse ab. »Zum Glück ist es nie dazu gekommen und die einstige Macht des TBK ist am Schwinden. Sie halten sich versteckt und sind stets verschwunden,
sobald wir ihren neuesten Unterschlupf ausfindig machen. Denn wenn es zu einer direkten Konfrontation mit uns Dichtern kommt, das wissen sie, sind sie uns unterlegen - das Böse unterliegt dem Guten zum Glück immer auf wundersame Weise. Der Grund dafür sind unsere Blutbücher. Für den Kampf gegen den TBK sind die Blutbücher von unermesslichem Wert. Denn die Sprache ist ein Gefängnis für die Wahrheit. Ein Gefängnis, in das wir Erinnerungen sperren können, weil sich in ihnen die Mottengaben verbergen.« Ihr Blick irrte kurz, beinahe wie versehentlich, zu Vampa, doch es genügte, damit Apolonia die Bedeutung von Neveras Erklärung begriff.
    Eiseskälte rieselte ihr den Rücken hinab. Langsam wandte sie den Kopf und sah in Vampas ausdrucksloses Gesicht. Seine Augen waren auf ihre geheftet, lesend und vertieft. Hatte er verstanden, was Nevera gesagt hatte? War er ebenso schockiert wie Apolonia? Oder … oder wenn es wirklich stimmte, wusste er schon längst, wer er einmal gewesen war?
    Apolonias Hand berührte seinen Arm nur noch leicht. Ihre Fingerspitzen schwebten über dem Stoff seines Mantels.
    »Ja«, sagte Nevera sanft, und ihr Gesicht glühte vor Hass. »Auch er, wie alle Opfer der Blutbücher, war einst ein Terrorist des TBK!«
     
    Apolonia löste sich erst aus ihrer Erstarrung, als ein leises Geräusch von der Zimmertür her verriet, dass jemand eingetreten war. Ein Lächeln schlich über Neveras Gesicht. Apolonia drehte sich um. Auf der Schwelle stand Morbus, die Hände auf dem Rücken verschränkt, den Kopf leicht geneigt wie jemand, der tief in Gedanken ist.
    Er trug einen schlichten, modischen Anzug mit einer Seidenweste, einem dunkelroten Schlips und silbernen Manschettenknöpfen. Sein Haar war nicht mehr, wie bei ihrer letzten
Begegnung, ungeordnet und strähnig, sondern mit Duftpomade frisiert. Aus blassen Augen lächelte er Apolonia an.
    »Guten Tag.« So ungezwungen, als seien sie schon immer Freunde gewesen, durchschritt Morbus das Zimmer und ließ sich am Tischende zwischen Apolonia und Nevera auf einen grünen Samtsessel sinken. Dann schlug er die Beine übereinander und warf einen freundlichen Blick in die Runde. Bei Vampa runzelte er leicht die Stirn. »Mir wurde bereits gesagt, dass du einen Gast mitgebracht hast. Das freut mich. Es ist besser, den Jungen gleich hier zu haben, als ihn erst suchen zu müssen.«
    Apolonia starrte Morbus an und wusste nicht, was sie fühlen und denken sollte. Der elegante Herr, der dort neben ihr saß, schien so höflich und arglos, als könne er keiner Fliege etwas zuleide tun.
    Sie rang leise nach Luft. War die Welt denn verrückt geworden?! Morbus war immer noch der Mann, der sie verschleppt und gequält hatte! In ihrem Kopf kreisten die Bilder aus jener Nacht in der Lagerhalle … War sie denn gequält worden? Was hatte Morbus eigentlich getan? Er hatte versucht, sie mit dem Blutsatz zu manipulieren… und ihr die Erinnerung an ihre Mutter zu stehlen. Ja, genau - genau deshalb wusste sie, dass er nicht der war, der er jetzt zu sein vorgab!
    Kaum merklich trat sie einen Schritt von ihm zurück, obwohl er so friedlich in seinem Sessel saß, als wolle er über das Wetter plaudern. Gleichzeitig wich Apolonia auch von Vampas Seite.
    »Schätzchen, willst du dich nicht setzen?«, fragte Nevera in die Stille und bedachte sie mit einem Blick, als sei sie die Verrückte.
    »Er ist ein Krimineller!« Sie richtete den Zeigefinger auf Morbus, auch wenn sie das Gefühl hatte, dadurch eher ihre Hilflosigkeit als seine Schuld zu offenbaren. »Er hat versucht,
mir die Erinnerungen an meine Mutter zu stehlen, an meine Mutter, Ihre Schwester! Wie

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