Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
altes Schiebefenster aus Holz mit welligem Glas, das immer wieder zufiel. Es war nur schwer vorstellbar, dass der Mann an dem klapprigen Rankgitter hochgeklettert war und dann dieses schwere Schiebefenster aufgebrochen haben konnte. Wenn er wirklich so reingekommen war, musste er ein verdammter Geist gewesen sein.
Die Leute von der Spurensicherung hatten meinen Wandschrank geöffnet und untersuchten meine Schuhe. „Fehlt hier irgendwas, Detective?“, fragte mich eine der Frauen.
„Nein, ich glaube nicht. Aber ich hoffe nur, dass die Dior-Pumps noch da stehen, wenn Sie hier fertig sind“, antwortete ich scherzhaft. Als ich aus dem Fenster nach unten schaute, schien nicht ein einziges Blatt der duftenden Rosen abgerissen oder geknickt zu sein.
Dann entdeckte ich etwas, und es lief mir kalt den Rücken hinunter. Der Metallriegel an der Oberseite des Rahmens war mit einer dicken, weißen Farbschicht bedeckt. Er schien vollkommen intakt und unberührt und stimmte mit dem Rest des Rahmens überein. Durch dieses Fenster war gewiss niemand eingebrochen.
„Haben Sie irgendwo anders im Haus Spuren für ein gewalttätiges Eindringen gefunden?“, fragte ich die Leute von der Spurensicherung. „Vielleicht die Küchentür oder eins der Fenster im Erdgeschoss?“
„Nein, Detective“, antwortete mir einer der Techniker. „Nur die Fußabdrücke draußen.“
„Vielen Dank“, murmelte ich. Nachdem ich aus dem Zimmer gegangen war, humpelte ich, so schnell es ging, die Treppe hinunter. Meine Instinkte sagten mir unmissverständlich, dass hier irgendwas nicht stimmte.
Unten traf ich zuerst auf Mac. „Die Spurensicherung hat die Kugel aus der Wand geholt, die Ihren Arm durchschlagen hat. Aber Sie haben keine Ahnung, was es ist. Scheint eine Art Weichmetal zu sein …“
„Silber“, flüsterte ich ihm zu.
Mac riss die Augen auf. „Silberkugeln? Wollen Sie mich veralbern?“
„Sieht dieser Arm so aus, als würde ich Sie veralbern wollen?“
Mac stieß einen verblüfften Pfiff aus. „Wirkt also tatsächlich, was?“
„Ja, leider. Bin bloß froh, dass er ein mieser Schütze war.“
McAllister packte mich an meinem unverwundeten Arm, führte mich ins Bad und schloss die Tür hinter uns ab.
„Jetzt erzählen Sie mir mal, was tatsächlich passiert ist, Luna.“
„Ich bin aufgewacht, und da stand ein Wahnsinniger in meinem Zimmer, der mir ein Messer an die Kehle gehalten und gesagt hat, dass ich Stephen Duncan und einen wichtigen Zeugen bei diesem Fall zufrieden lassen soll.“
Mac runzelte die Stirn. „Warum sollte er so was zu Ihnen sagen?“
Ich senkte den Blick. „Ich … äh … na ja, ich habe weiter im Fall Stephen Duncan ermittelt und auch seinen Vater unter die Lupe genommen.“
„Warum?“, rief Mac. „Mittlerweile sollte auch Ihnen klar sein, dass Stephen die Prostituierten nicht abgeschlachtet hat! Verdammt, Luna, AI Duncan ist nicht irgendwer, sondern der Bezirksstaatsanwalt! Erzählen Sie mir jetzt bitte nicht, dass Sie an seine Tür geklopft haben.“
Er kannte mich nur zu gut.
„Scheiße!“, brüllte er, als er den bejahenden Ausdruck in meinem Gesicht sah. „Dann gibt’s keine Möglichkeit, das noch mal geradezubiegen, Luna. Das war s für Sie!“
Als Mac mich derart anfuhr, kochte die Spannung über, die sich in den letzten Stunden in mir angesammelt hatte, und ich wetterte zurück: „Vielen Dank für diese tolle Prognose, Mac. Wollen Sie jetzt eigentlich was über den Hexer erfahren, der mich ermorden wollte, oder lieber Ihren Vortrag fortführen?“
Mac hockte sich auf den Toilettendeckel und bedeutete mir mit einer Geste, dass ich mich auf den Badewannenrand setzen sollte. „Ein Hexer?“, sagte er mit einem verzweifelten Seufzer. „Erzählen Sie. Irgendwie habe ich ja schon geahnt, dass es noch schlimmer werden würde.“
„Nachdem er mich in seiner Gewalt hatte, hat er …“, ich zitterte schon bei dem bloßen Gedanken daran, „… hat er meine Hand in meinem Blut gerieben, seine Jacke geöffnet und mich gezwungen, seine Brust anzufassen. Er hatte da überall Zeichen … wie Tattoos, nur dass sie aus Haut bestehen – Brandings.“
Der Gedanke an den elektrischen Funken, der mich bei dieser Berührung durchfahren hatte, ließ meine Brust beben und meine Hände zittern.
„Hat er noch irgendwas gesagt?“, fragte Mac.
„Er sagte: Jetzt bist du gezeichnet, und wir sehen alles, was du tust.“ Ich hatte dem Hexer nicht geglaubt, als er mir gedroht hatte, aber jetzt,
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