Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
unheimlichsten Orten von Nocturne City. Ghosttown stand ganz oben auf der Liste der Attraktionen. Ich konnte nur hoffen, dass die abenteuerlustigen Tourteilnehmer gern von Wölfen oder Bluthexen verspeist wurden.
Meine Finger ruhten einen Moment lang auf dem Keyboard, während ich überlegte. Dann sausten sie wieder über die Tasten.
Meggoth.
Ein einsamer Link wurde angezeigt – eine PDF-Datei, die auf dem Server der Universitätsbibliothek lag. Es war eine Studienarbeit aus dem Jahr 1970 mit dem Titel „Die Gesichter von Meggoth: Dämoneninvasion in der modernen Welt“ von einem gewissen Jacob Hoskins. Vielleicht würde mir dieser Hoskins ein paar Antworten geben und erklären können, warum mir der Name Meggoth so verdammt bekannt vorkam.
Ich klickte mich zum Alumniverzeichnis der Universität durch und wählte die dort angegebene Nummer.
„Alumnibüro hier.“
„Ja, hallo, mein Name ist Luna Wilder. Ich hatte gehofft, Sie könnten mir ein paar Informationen zu einem Absolventen Ihrer Universität geben. Sein Name ist Jacob Hoskins.“
Die forsche Stimme auf der anderen Seite atmete tief ein und hielt für einige Sekundenbruchteile inne.
„Hallo?“
„Wir geben eigentlich keine Informationen zu unseren Alumni an die Öffentlichkeit“, erklärte sie, „aber in diesem Fall ist es anders. Hoskins ist immer noch an der Universität beschäftigt. Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?“
„Ich bin Detective hier in Nocturne City und möchte mit ihm über eine Arbeit sprechen, die er 1970 geschrieben hat. Die Gesichter von Meggoth heißt sie.“
Ich konnte fast spüren, wie bei meinen Worten auf der anderen Seite der Leitung jemand zu Eis erstarrte.
„Tut mir leid“, sagte sie schnodderig. „Zu diesem Zeitpunkt können wir keine weiteren Auskünfte mehr erteilen.“ Im nächsten Moment piepte das Freizeichen in meinem Ohr. Ungehobeltes Miststück, dachte ich – da hätte sie mich auch gleich einladen können, um ein bisschen an der Uni herumzuschnüffeln.
Nach dem Telefonat ging ich wieder hoch und versuchte, mich mit fünfzig Roundhouse-Kicks, ebenso vielen Liegestützen und hundert Sit-ups von den Komplikationen abzulenken, die sich mit alarmierender Häufigkeit in mein Leben drängten. Danach fiel ich ins Bett und schlief noch ein paar Stunden bis zum Mittag.
Die Nocturne University befand sich auf dem ehemaligen Grundbesitz von Theodore Blackburn und bildete seit 1870, nachdem Blackburn diese riesige Villa an die Stadt übergeben hatte, die jungen Menschen in Nocturne City und den umliegenden Küstengebieten aus. Kurz vor der Übergabe des Gebäudes hatte es einen Doppelmord in diesem Hause gegeben, dem Mrs Blackburn und eine Bedienstete zum Opfer gefallen waren. Auf die Studenten schien diese bizarre Geschichte Wirkung zu machen. Mit feiner Regelmäßigkeit stachelten sie sich gegenseitig dazu auf, in die unzugängliche Kuppel der Universitätsbibliothek hinaufzusteigen, sodass die Polizei immer wieder mit Feuerwehrleitern ausrücken musste, um sie von dort herunterzuholen.
Blackburn Hall war erst später erbaut worden und ähnelte als länglicher Backsteinbau vom Stil her dem englischen Parlamentsgebäude. In ihm waren auf drei Stockwerken die Büros verschiedener Fachbereiche und Lehrkörper untergebracht. Mit einem Blick auf den Lageplan hatte ich Hoskins Büro schnell gefunden. Es war ein kleines Zimmerchen im zweiten Stock mit einem Flügelfenster und Bücherregalen, die vom Boden bis zur Decke reichten.
Ich klopfte an die offen stehende Tür. Hoskins hob ruckartig den Kopf und schob seine Brille die Nase hoch. Er war sehr dünn, hatte eingefallene Backen und dünne, kurz geschorene Haare. Seine milchigen grauen Augen starrten mich durch eine einfache Nickelbrille an.
„Mr Hoskins“, sagte ich und streckte zur Begrüßung meine Hand aus. „Ich bin Detective Wilder. Ich habe versucht, Sie durch das Alumnibüro zu finden, aber …“
Hoskins sprang aus seinem Sessel und zeigte mit seinem langen Finger auf die Tür. „Gehen Sie sofort! Ich dulde keine Belästigungen dieser Art!“
„Ganz ruhig!“ Ich hielt eine Hand hoch, um ihm meine Friedfertigkeit zu zeigen. „Mr Hoskins, ich wollte nur mit Ihnen reden.“
„Professor Hoskins bitte. Und das habe ich ganz bestimmt nicht Leuten wie Ihnen zu verdanken. Jetzt verlassen Sie bitte umgehend mein Büro!“ Er griff nach dem Telefon auf seinem Schreibtisch. „Sofort! Oder ich rufe den Sicherheitsdienst!“
Ich schloss die Tür
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