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Nocturne City 02 - Blutfehde

Nocturne City 02 - Blutfehde

Titel: Nocturne City 02 - Blutfehde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlin Kittredge
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anzustellen, was ich auch guten Gewissens tat, da ich meinen Plan keineswegs für dumm hielt. Er war vielleicht waghalsig und unausgereift, aber gleichzeitig auch die Lösung all meiner Probleme.
    Besessen von meiner Idee, stürzte ich mich in den Verkehr und raste derart rücksichtslos in Richtung Zentrum, dass ich bestimmt einem guten Dutzend Autos die Vorfahrt nahm. Als ich endlich bei Shelbys Wohnung ankam, ließ ich den Wagen kurzerhand vor dem Haupteingang stehen und warf dem Mitarbeiter des gebäudeeigenen Parkservice die Schlüssel zu. Der Mann fing sie zwar auf, rümpfte aber beim Anblick des ramponierten Fairlane nur die Nase und ließ mich mit einem finsteren Blick wissen, dass er sich ohne großzügiges Trinkgeld nicht dazu herablassen würde, dieses motorisierte Stück Schrott zu parken.
    Oben öffnete mir Shelby diesmal selbst die Tür. Mit einem Blick auf ihr Bein stellte ich fest, dass man den prähistorisch anmutenden Monstergips aus dem Krankenhaus gegen einen bequemen Gehgips getauscht hatte. Auch sonst schien es ihr wieder besser zu gehen, denn zur Begrüßung fragte sie mit gewohnt kecker Stimme: „Bist du etwa hier, um mir wieder die Laune zu verderben?“ Als ich eintrat, fiel mir sofort auf, dass außer den Bildern an den Wänden auch etliche Möbelstücke verschwunden waren. Es herrschte eine düstere Stimmung, denn die Wohnung wurde nur durch das spärliche Licht einer Stehlampe neben der Chaiselongue erhellt und lag fast vollkommen im Dunkeln.
    „Nein“, antwortete ich. „Ich wollte dich eigentlich nur was fragen … Sag mal, was ist eigentlich mit deinen Möbeln passiert?“, fragte ich, als ich bemerkte, dass ihre Wohnung nicht nur spärlich möbliert, sondern fast vollkommen leer geräumt war.
    Shelby verdrehte genervt die Augen. „Sag bloß, du bist den weiten Weg gekommen, um dich nach meinen Möbeln zu erkundigen?“
    „Quatsch, ich bin natürlich wegen etwas anderem hier.“
    „Wenn du es unbedingt wissen willst: Onkel Seamus hat den Stecker gezogen“, erklärte Shelby niedergeschlagen. „Mein Mietvertrag wurde zum Monatsende gekündigt, und so musste ich wohl oder übel ein paar Sachen verkaufen, um die Kaution für eine neue Wohnung zusammenzubekommen.“
    Oh mein Gott, das ist alles meine Schuld!, dachte ich und wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken. Weil ich wie eine Wahnsinnige in das Büro ihres Onkels gestiefelt war, saß Shelby nun wie „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“ im Dunkeln und musste ihre Möbel verkaufen! Da ich hier war um sie zum nächsten Himmelfahrtskommando zu überreden fühlte ich mich noch schäbiger.
    „Das tut mir leid“, sagte ich kleinlaut. „Wenn ich irgendetwas tun kann …“
    „Vergiss es!“ Shelby hob ihr Kinn. „Du verdienst doch genauso viel wie ich, also versuch jetzt bitte nicht, deine Schuldgefühle zu besänftigen, indem du mir deine Hilfe anbietest.“ Langsam humpelte sie zurück zur Chaiselongue und legte sich hin. „Das musste irgendwann passieren. Seit dem Tod meines Vaters habe ich es quasi kommen sehen. Die ganze Sache hat Seamus damals schrecklich mitgenommen. Er hat sich doch als der große Bruder gefühlt, der auf den Kleinen aufpasst … und dann das.“
    „Seamus ist nicht der, für den du ihn vielleicht hältst, Shelby“, sagte ich vorsichtig und versuchte, meine Verbitterung über die Prügel, die ich auf Seamus’ Geheiß kassiert hatte, nicht zu zeigen.
    „Seamus konnte mir nie verzeihen, dass ich als die Tochter des geliebten Bruders seinen Ansprüchen nicht genügt habe. Von Anfang an hat er einfach alles auf meine Mutter und mich geschoben und mir das Leben zur Hölle gemacht. Mit fünfzehn habe ich es dann nicht mehr ausgehalten und eine Packung Schlaftabletten geschluckt …“
    „Willkommen im Club der verhunzten Existenzen, Shelby. Mein alter Herr war hauptamtlich Alkoholiker und nebenberuflich ein mieser Automechaniker, obwohl es eher umgekehrt hätte sein sollen.“
    Shelby lachte kurz auf. „Er war Automechaniker? Das ist witzig, ich bin nämlich nach einem Auto benannt worden. Ein 67er Shelby Mustang Coupé, babyblau. Mein Vater hat den Wagen in der Nacht, in der er starb, gefahren.“
    Ich antwortete nicht, weil mir nichts wirklich Passendes einfallen wollte. Stattdessen beobachtete ich Shelby dabei, wie sie gedankenverloren Zöpfe in ihre langen blonden Haare flocht, nur um sie ein paar Sekunden später wieder aufzulösen. Nach einer Weile blickte sie seufzend auf, als

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