Nocturne City 02 - Blutfehde
starrte mich mit seinen schwarzen Augen an.
„Zur Hölle mit dir, Dmitri!“, explodierte ich. Mittlerweile war es mir nämlich gleichgültig, ob er mich zu Hackfleisch verarbeiten würde. „Ich versuche, dir zu helfen, und falls du es noch nicht gemerkt hast – ich bin die Einzige, die das tut! Aber weißt du was, vergiss es einfach. Du verdienst meine Hilfe nicht, du Scheißkerl! Meinetwegen kannst du langsam verrotten und dich in dieses … in dieses Ding verwandeln. Lass dich ruhig nach Kiew verfrachten, damit sie dich da bis ans Ende deiner Tage in einen Bunker sperren!“
Ich meinte es todernst, und anscheinend ahnte er das, denn als ich meine restlichen Klamotten vom Fußboden aufsammelte, bemerkte ich ein kleines grünes Schimmern in seinen pechschwarzen Pupillen.
„Luna, warte …“, flüsterte er, aber es war zu spät.
„Zur Hölle mit dir, Sandovsky!“, schrie ich und schlug die Tür hinter mir zu.
Die ganze Taxifahrt über kauerte ich mit feuchten Augen auf der Rückbank, und als ich endlich zu Hause ankam, ließ ich mich aufs Bett fallen. Schluchzend rollte ich mich zu einer Kugel zusammen. Nach dem Debakel mit Irina und den Rudelältesten hatte ich gedacht, dass es mich nicht mehr viel schlimmer erwischen konnte, aber jetzt merkte ich, wie falsch ich damit gelegen hatte. Damals war Dmitri noch nicht ganz verloren gewesen; mit genügend Kraft und Ausdauer hätte ich ihn zurückgewinnen können – zumindest hatte ich mir das immer wieder eingeredet.
Meine Gedanken wurden kurz durch das Klingeln des Telefons unterbrochen. Nachdem ich den Hörer vom Apparat geschlagen hatte, flüchtete ich mich wieder in mein Kissen und heulte weiter wie ein Schlosshund.
Langsam dämmerte mir, dass ich Dmitri nun endgültig verloren hatte – wenn auch nicht an die Redbacks oder an Irina. Der Mann, den ich liebte, war dem Dämon zum Opfer gefallen, der in ihm tobte, und mir blieb nur die bittere Erkenntnis, nichts dagegen tun zu können.
Der Gedanke an das definitive Ende unserer Beziehung schmerzte so sehr, dass ich sicher war, nie wieder aufstehen zu können. Also blieb ich mit eng umschlungenen Knien liegen und versuchte, den schrecklichen Verlust durch reine Willenskraft wieder rückgängig zu machen, was natürlich ein sinnloses Unterfangen war.
Irgendwann muss ich mich dann in den Schlaf geflüchtet haben, denn als ich durch ein Klopfen erwachte, war es draußen schon dunkel. Gleichgültig hörte ich, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte und jemand die Tür aufstieß.
„Luna? Bist du zu Hause?“ Ich erkannte die Stimme sofort, es war Sunny. „Was ist mit deinem Telefon los?“
Als Sunnys Schritte auf der Treppe zu hören waren, tastete ich besorgt mein zerschundenes Gesicht ab, aber noch bevor ich es hinter der Bettdecke verstecken konnte, hatte sie bereits die Tür zu meinem Schlafzimmer aufgestoßen und das Licht angeschaltet. „Ach du grüne Neune!“, rief sie, während ich versuchte, mein Gesicht mit der Hand zu bedecken.
„Wenn dich das schon erschreckt, müsstest du erst mal den anderen sehen“, versuchte ich zu scherzen, aber meine vom Weinen erschöpfte Stimme taugte nicht zum Witze reißen.
Sofort setzte sich Sunny neben mich, schob meine Hand beiseite und musterte mich mit einem Blick, der irgendwo zwischen tiefem Entsetzen und berechtigtem Zorn lag. „Wer hat dir das angetan?“, wollte sie wissen. „Dem Typen werd ich die Nudel frittieren!“
„Schon passiert“, erwiderte ich und begann über die Komik der Situation zu kichern. Dieser Tag war zu lang und zu schrecklich gewesen, als dass er ohne ein wenig Spaß zu Ende gehen durfte.
Mit verwunderter Miene half mir Sunny dabei, mich aufzurichten, und breitete eine Decke über meine Beine. „Ich mach dir mal schnell einen Tee“, kündigte sie mit ernster Stimme die unvermeidliche Therapie mit ihrem Allheilmittel an. Einen Augenblick später war sie aus dem Zimmer gehuscht, und ich sank in einen leichten Schlaf. Ich hätte schwören können, dass ich in meinem Schlummerzustand den verführerischen Geruch eines chinesischen Rindfleisch-Nudelgerichts wahrnahm. Und tatsächlich, als ich die Augen öffnete, stand Sunny mit einem Tablett in der Tür, auf dem neben einer dampfenden Tasse Tee auch ein Teller mit dem erträumten Nudelgericht stand. Geruchshalluzinationen musste ich also noch nicht auf die lange Liste meiner Leiden setzen.
„Auf der Fahrt ist mir eingefallen, dass du vielleicht hungrig sein könntest, also hab
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