Nocturne City 02 - Blutfehde
ich beim China-Imbiss angehalten“, erklärte Sunny, während sie mir eine Serviette unter das Kinn schob und die Kissen aufschüttelte.
„Danke, Sunny!“, seufzte ich und probierte vorsichtig von den Nudeln. Sie waren köstlich, und mein knurrender Magen signalisierte mir, dass ich sie dringend nötig hatte.
„Warum liegt der Hörer neben dem Telefon?“, fragte Sunny besorgt, und ich versuchte, mit einem Mund voller Nudeln zu antworten.
„Äh … hab mich mit Dmitri gestritten.“
„Mit Dmitri?“ Sunny runzelte die Stirn. „Was ist denn aus deinem Möchtegern-Rocker, diesem Trevor, geworden?“
Ich dachte kurz an unser letztes Telefongespräch und die daraus resultierende Funkstille zwischen Trevor und mir. „Gute Frage … mit dem habe ich mich auch gestritten.“
„Hat mich sowieso gewundert, dass du es so lange mit diesem Typen aushältst. Aber erzähl schon, was ist mit Dmitri?“
Nachdenklich legte ich die Gabel beiseite. „Nun, ich habe einem Deal zugestimmt, den ich nicht erfüllen konnte, und er hat dem Dämon zu viel Leine gelassen, und dann ist die ganze Sache außer Kontrolle geraten. Dazu kam noch, dass mich kurz vorher einer von O’Hallorans Totschlägern in die Mangel genommen hat, sodass ich nicht wirklich klar denken konnte.“ Ich hoffte zwar, dass Sunny mir die Kurzversion der Geschichte abkaufen würde, wusste aber, dass das eigentlich gar nicht ihre Art war.
Sunny biss sich auf die Lippen. „Hmm … dann steh ich wohl jetzt wie ein Volltrottel da, nachdem ich so große Stücke auf die O’Hallorans gehalten habe.“
„Vergiss es! Wie hättest du das auch wissen sollen?“, erwiderte ich und legte den Kopf zur Seite, um meine Erleichterung über das ausgebliebene Kreuzverhör zu überspielen. Dann erklärte ich ihr die Einzelheiten des Falls und die Geschichte des Schädels.
Mit einer flinken Handbewegung schnappte sich Sunny eine Nudel von meinem Teller und kaute nachdenklich auf ihr herum. „Also, wenn ich das richtig verstehe, haben die O’Hallorans den Schädel des Mathias von den Blackburns gestohlen?“
Ich nickte.
„Das ist gar nicht gut“, sagte Sunny und massierte ihre Schläfen.
„Das Beste kommt erst noch: Die O’Hallorans stehen kurz davor, das Geheimnis zu lüften, wie man den Schädel einsetzt. Ist schon ziemlich ironisch das Ganze – da passiert jahrelang nichts, dann klauen die vermeintlich guten Jungs den vermeintlich bösen Jungs die Superwaffe, und plötzlich steht die Welt vor dem Abgrund.“
„Hmm, scheint in der Natur vieler Menschen zu liegen, nicht immer das zu tun, was sie eigentlich tun sollten“, sagte Sunny leise. „Du bist ein gutes Beispiel dafür, Luna.“
„Das hat gesessen“, sagte ich leicht beleidigt, aber ich wusste, dass Sunny recht hatte – wieder einmal. Langsam hatte ich den Verdacht, dass sie es sich zum Hobby gemacht hatte, mich auf meine Fehler hinzuweisen.
Da Sunny nichts erwiderte, dachte ich wieder über meinen Fall nach. Wenn Seamus O’Halloran erst mit der Dämonenmagie umzugehen wusste, würde ihn nichts und niemand mehr aufhalten können. Ehrlich gesagt, hatte ich sogar Zweifel daran, ihn jetzt als „einfachen Casterhexer“ aufhalten zu können. An einer Sache hatte ich allerdings keine Zweifel mehr: Der Fall hing mir zum Hals raus. Ich hatte genug von Dämonen, genug von Asmodeus, genug von Dmitri und genug von dem verdammten Schädel.
Derart in Gedanken versunken, verschluckte ich mich an einem Stück Rindfleisch, sodass mir Sunny auf den Rücken klopfen musste. „Was ist los, Luna?“
„Bei den Hex Riots, warum ist mir das nicht eher eingefallen“, murmelte ich. Sofort glitt ein breites Grinsen wie ein Sonnenstrahl über mein von Sorgenfalten verdunkeltes Gesicht. Aus dem Chaos in meinem Kopf hatten sich zwei Gedanken herauskristallisiert. Erstens: Seamus O’Halloran musste am Einsatz der Dämonenmagie gehindert werden. Zweitens: Dmitri konnte nur mit Dämonenmagie geholfen werden. Die Schlussfolgerung lag auf der Hand.
„Luna?“, fragte Sunny ungeduldig. „Nun spuck schon aus, was dir durch den Kopf geht.“
„Nichts lieber als das, Cousinchen.“ Ich ergriff ihre Hand. „Du musst mir dabei helfen, den Schädel des Mathias zu stehlen.“
27
Natürlich musste Sunny nun annehmen, dass ich vollkommen wahnsinnig geworden war. Wahrscheinlich hatte sie es auch genau deshalb so eilig, nach Hause zu kommen. Bevor sie aufbrach, musste ich ihr allerdings noch versprechen, nichts Dummes
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