Nocturne City 02 - Blutfehde
des Mathias anging“, dröhnte es in meinem Kopf. Im nächsten Moment musste ich schlucken, denn vor mir erschien tatsächlich Asmodeus. Er war von einem dichten goldfarbenen Nebel umgeben, der unruhig flackerte und ihn ganz und gar einhüllte. Von seiner goldenen Haut ging ein sanftes, pulsierendes Strahlen aus, gegen das selbst die leuchtende Morgensonne blass aussah. Obwohl seine Präsenz durch den Nebel lange nicht so furchterregend war wie bei unseren vorherigen Begegnungen, schrie jede Faser meines Körpers danach, vor diesem fremdartigen Wesen, dieser todbringenden Kreatur davonzulaufen.
„Du musst mir helfen! Seamus O’Halloran will, dass ich in einem Certamen Letum gegen ihn antrete. Ich habe dich gerufen, um die Einlösung deines Versprechens einzufordern“, erklärte ich.
„Aber ich habe dir bereits deinen Wunsch erfüllt, Insoli!“ Asmodeus’ Gesicht war hinter der Nebelwand nicht zu erkennen, aber ich hätte schwören können, dass er schelmisch grinste. „Erinnerst du dich nicht, dass ich den toten Werwolf zum Leben erweckt habe, als du mich darum gebeten hast?“
„Zum Leben erweckt?“, schrie ich wütend. „Du hast ihn vergiftet! Das war nicht das, was ich wollte.“
„Wir bekommen selten genau das, was wir wollen, Insoli.“
„Seamus O’Halloran wird den Schädel des Mathias für seine Ziele missbrauchen, und ich will ihn daran hindern!“, rief ich verzweifelt. „Hat das denn gar keine Bedeutung für dich?“
„ Wofür würdest du den Schädel benutzen, wenn du gewinnst, Insoli? Kannst du mir diese Frage reinen Gewissens beantworten?“
„Ich würde ihn in der Siren Bay versenken, damit weder ich noch irgendjemand sonst ihn jemals wieder ansehen muss. Ich hasse dieses sinnlose Blutvergießen und diesen mörderischen Kampf um eine magische Reliquie, die niemals dazu bestimmt war, von Menschen benutzt zu werden. In meinen Augen ist es eine Perversion.“
Asmodeus nahm sich Zeit für die Antwort. Anscheinend überlegte er.
„Gut. Ich will noch einmal einen Handel mit dir eingehen, Insoli. “ Plötzlich trat die Gestalt aus der goldenen Nebelwand hervor und legte ihre Hand auf meinen Kopf. Eine gewaltige Kälte fuhr durch meinen Körper, und für einen Moment fühlte es sich an, als sei ich in einem Eisblock gefangen. „Denke immer daran, Insoli, eines Tages werde ich meinen Lohn für diesen Gefallen einfordern, und dann hast du keine andere Wahl, als meine Forderung zu erfüllen. Ich frage dich nun also: Akzeptierst du diesen Handel?“
„Ja“, flüsterte ich und zitterte dabei wie Espenlaub. „Ich akzeptiere ihn.“
„Dann soll es so: sein. Wisse, dass ich dir geholfen habe, Insoli, und stelle dich dem Certamen Letum“, versprach Asmodeus. „Eins noch, Insoli: Ruf mich bitte nie wieder in deine Welt!“
„Nur wenn du versprichst, nicht mehr auf dem Rücksitz meines Autos aufzutauchen!“, blaffte ich zurück, aber Asmodeus war schon verschwunden. Zurück blieb nur der verkohlte Geruch seiner fremdartigen Magie und die Gewissheit, eine weitere Grenze überschritten zu haben.
30
Ich überlegte noch eine ganze Weile, ob ich den Schädel zurücklassen und Seamus mit einem Bluff übertölpeln sollte, aber dann dachte ich an Shelby, Victor und Valerie und entschied mich gegen das Risiko. Kurz bevor die zweistündige Frist abgelaufen war, steckte ich den Schädel in den Stoffbeutel, schob die 38er in meinen Hosenbund und machte mich auf den Weg zum O’Halloran Tower.
Obwohl zu Beginn des Arbeitstages großer Betrieb im Tower hätte herrschen sollen, war die Lobby des Gebäudes wie leer gefegt, und auch von den Fahrstühlen war nur einer in Betrieb. In der beklemmenden Stille wirkte es fast so, als habe er nur darauf gewartet, mich hinauf in die Höhle des Löwen bringen zu können.
Während der Fahrt in die sechzigste Etage zog ich den Revolver hervor und strich wieder und wieder über den Abzugsbügel. Ich ahnte zwar, dass mir die Waffe nicht viel nützen würde, aber das Gewicht in meiner Hand und die wohlvertraute Form unter meinen Fingern gaben mir ein Gefühl der Sicherheit. Ich dachte kurz an das Versprechen, das ich mir seit fünfzehn Jahren jeden Tag aufs Neue gegeben hatte, und trat dann, ohne zu zögern, aus dem Aufzug. Seit dem Tag meiner Verwandlung in eine Werwölfin hatte ich mir bei dem Gedanken an meinen Tod immer wieder geschworen, mit wehenden Fahnen und kämpfend von dieser Welt zu gehen. Nun, da ich kurz davorstand, meinem Schicksal zu begegnen,
Weitere Kostenlose Bücher