Nocturne City 02 - Blutfehde
beide gute Cops sind. Und ja, ich kann durchaus ein Miststück sein, aber entweder Sie gewöhnen sich langsam daran, oder Sie schmeißen den Job hin und drücken sich selbst ein paar Gören raus.“
Erst nachdem sie ausgesprochen hatte, merkte ich, dass ich bereits auf den Fußballen balancierte, um für Shelbys rechte Gerade gewappnet zu sein. Eine Rechte, die ich mir verdient gehabt hätte, denn was ich gesagt hatte, war unter der Gürtellinie gewesen. Da aber nichts passierte, entspannten sich meine Muskeln wieder, und ich sagte mit einem Schulterzucken: „Ich glaube, damit kann ich leben, wenn Sie im Gegenzug auch meine Macken tolerieren.“
„Endlich mal etwas, bei dem wir uns einig sind“, erwiderte Shelby, bevor unsere Waffenstillstandsgespräche durch ein Hämmern gegen die Toilettentür unterbrochen wurden. „Besetzt!“, blaffte Shelby.
„Hier ist die Spurensicherung!“, blaffte es zurück, woraufhin Shelby öffnete und die Kollegen einließ. Ich durchsuchte derweil das schwarze Portemonnaie und zog den üblichen Krimskrams heraus: Kreditkarten, Busfahrscheine und ein paar Quittungen. Ich konnte zwar keine Fahrerlaubnis finden, dafür aber einen Ausweis des Liquor Control Boardy – einer Behörde, die Lizenzen für den Alkoholausschank vergab. Das scharfkantige Gesicht auf dem Foto passte eindeutig zu den Zügen des Toten. Als ich seinen Namen las, durchfuhr mich ein gewaltiger Schreck.
„Ach du Scheiße!“, stöhnte ich.
Shelby, die gerade den Leuten der Spurensicherung dabei zugesehen hatte, wie sie die Leiche fotografierten und mit ultraviolettem Licht nach Blutspuren absuchten, trat zu mir und schaute neugierig über meine Schulter. „Stimmt was nicht?“
Ich zeigte ihr den Ausweis. „Sehen Sie selbst … der Tote ist kein Geringerer als Vincent Blackburn.“
Plötzlich brach draußen abrupt die Musik ab, und als ich durch den Türspalt in den Saal linste, sah ich, wie jede Menge uniformierter Polizisten die Gäste zusammentrieben. Ich wandte dem Chaos den Rücken zu und steckte Vincents Ausweis wieder in das Portemonnaie.
„Das ist überhaupt nicht gut“, murmelte Shelby nachdenklich, und ich bekam langsam den Eindruck, dass sie eine Veranlagung zur Untertreibung hatte. Bildlich gesprochen waren die beiden Familien wie zwei Seiten einer Medaille. Während die O’Hallorans das strahlende und blütenweiße Gesicht der Casterhexen repräsentierten, geisterten die Blackburns als dunkle und blutbesudelte Gespenster durch die ewige Nacht. Bei Letzteren handelte es sich um eine Familie von Bluthexen, deren immenses Vermögen vor langer Zeit zerronnen war, nachdem die Frau des Familienoberhaupts, Theodore Blackburn, auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen war. Durch diese Tragödie erschüttert, war das Familiengefüge zerbrochen und die einzelnen Mitglieder hatten sich in alle Winde verstreut. Später war dann auf dem einstigen Anwesen der Blackburns die Nocturne University errichtet worden. Nun lag einer dieser Bluthexer tot vor meinen Füßen, und ausgerechnet ich war für die Klärung seines Ablebens verantwortlich.
Großartig!
„Detective, hier gibt es ein paar Einstichstellen“, sagte einer der Leute von der Spurensicherung und hob Vincents Arm an. Eine Reihe hässlicher schwarzer Male verlief an seinem Unterarm entlang hinab bis zum Ellbogen. Aus dem letzten Einstich sickerten sogar noch Blutstropfen.
„Das passt ja wunderbar!“, rief Shelby. „Wie die Faust aufs Auge, würde ich sagen. Blackburns … Junkie-Freaks, die im Dreck leben. Jeder Einzelne von ihnen ist bis auf die Knochen verdorben.“
„Könnten wir persönliche Befindlichkeiten und sozioökonomische Kommentare für einen Moment beiseitelassen, bitte?“, bat ich Shelby und hockte mich neben die Leiche. Das Licht in der Toilette war schwächer als das einer flackernden Kerze, also borgte ich mir eine Taschenlampe von der Spurensicherung und sah mir die Einstichstellen etwas genauer an. Sie wirkten dreckig und zerschunden. Anscheinend waren die Stellen wieder und wieder benutzt worden. Als ich die Handgelenke, Hände und den anderen Arm mit der Lampe prüfte, konnte ich zwar keine weiteren Einstiche entdecken, fand aber an den Innenseiten beider Gelenke blutunterlaufene Flecken, die auf Quetschungen hinwiesen.
„Macht ganz den Anschein, als sei es eine Überdosis gewesen, oder?“, sagte Shelby. „Vielleicht hat er sich das gleiche Zeug gedrückt wie der andere Tote. Wahrscheinlich ein neuer Mix, den
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