Nocturne City 02 - Blutfehde
Sicher, The Exorcists waren eine nicht gerade lebensbejahende Goth-Band mit einem mehr als bescheuerten Namen, aber so schlecht, wie der Barkeeper meinte, waren sie nun auch wieder nicht.
„Deadly Sin“ ging mit einem Stöhnen von Wicked – das war Trevors Bühnenname, den er sich partout nicht ausreden lassen wollte – zu Ende. Dann griff er sich schwer atmend den MikroStänder, stützte sich auf ihm ab und flüsterte ins Mikrofon: „Das war für Sherrine, die dunkle Göttin, die mein Herz gebrochen hat. Oh, Sherrine, du Gebieterin meiner Seele …“
Bei seinen Worten senkte ich beschämt den Blick, und als ich dabei auf mein Glas starrte, erschien mir der Whiskey plötzlich sehr verlockend.
„Jetzt kommt ein neuer Song.“ Abrupt richtete sich Trevor auf und übergab seine Fender an den Roadie. „Der Text handelt davon, der Dunkelheit zu entkommen“, kündigte er an und begann zu singen.
„Black like the face of a brandnew moon, Never seen eyes hold a love so true.“
Mein ganzer Körper erstarrte sofort bei den ersten Zeilen, und ich war mir sicher, dass sich gleich alle Köpfe im Saal zu mir umdrehen würden.
„Luna, my Luna, I’m mood-mad for you“, sang Trevor weiter.
Verdammt! Das konnte unmöglich wahr sein! Wir gingen erst seit ein paar Wochen miteinander aus, und er schrieb schon Songs über mich? Was würde als Nächstes kommen – das Angebot, mit ihm in die dunkle Gruft seiner blutenden Seele hinabzusteigen? Unglaublich! Und überhaupt … warum musste er mir ausgerechnet eine dieser schnulzig-pathetischen Rockballaden widmen? Einen coolen Song hatte ich wohl nicht verdient, wie?
Der Barkeeper bemerkte, dass ich immer kleiner wurde. „Sagen Sie bloß, Sie sind Luna? Er singt über Sie?“
In einem Zug schüttete ich den Whiskey runter und sprang vom Barhocker. „Nein, tut er nicht. Nicht mehr.“ Ich flüchtete in Richtung der Damentoilette. Mühsam bahnte ich mir meinen Weg durch die Gäste mit ihren Leder-und-Nieten-Outfits, die alle von Trevors inbrünstigem Gekreische gelähmt zu sein schienen.
„Lima, my Luna … Luna, wohin gehst du?“
In der Damentoilette angekommen, schlug ich mit puterrotem Kopf die Tür hinter mir zu und verriegelte sie. Für was in drei Teufels Namen hielt mich Trevor eigentlich? Seine dunkle Göttin 2.0? Und selbst wenn es so war, begriff ich weder, warum er darüber singen musste, noch, warum er es vor so vielen Leuten tat.
Ich schlug meine Stirn gegen die Tür. Alles passte mal wieder herrlich zusammen: Erst hatte ich mein Herz an einen Mann verschenkt, der auf Nimmerwiedersehen verschwunden war, und nun zog ich ein Klammeräffchen an, das nach ein paar Wochen schon romantische Liebeslieder für mich schrieb.
Ich atmete ein paarmal tief durch, um mein wild schlagendes Herz zu beruhigen, und lehnte mich dann für einige Sekunden gegen die Tür. Krampfhaft versuchte ich, mich selbst davon zu überzeugen, dass Trevor einfach nur ein bis über beide Ohren verknallter, ganz gewöhnlicher Mensch war, der sich zwar dämlich verhielt, mich aber nicht absichtlich vor allen Leuten zu einer Lachnummer machen wollte. Es war allerdings eine hoffnungslose Angelegenheit. Genauso gut hätte ich mir auch einreden können, dass ich die Besitzerin der Siren Bay Bridge sei. Um der Grübelei ein Ende zu machen, suchte ich nach einem Ausweg aus der Situation. Plötzlich fiel mir ein, dass ich mich nur noch ein paar Minuten in der Toilette verstecken musste, um mich dann bei „Devils in My Mind“ unbemerkt hinausschleichen zu können. Bei diesem Song löschte die Band nämlich das Licht im Saal, um eine Stroboskoplampe zum Einsatz zu bringen. Danach musste ich nur noch meinen Namen ändern, in ein unbekanntes Land der Dritten Welt fliehen und diesen ganzen Vorfall aus meiner Erinnerung streichen, damit einem einigermaßen erfüllten Leben nichts mehr im Weg stand. Nichts leichter als das!, dachte ich verzweifelt.
Erst als ich meine Augen wieder öffnete und zum Waschbecken ging, fiel mein Blick auf den regungslosen Körper eines Mannes. Er lag zusammengerollt wie eine Seemuschel in einer Lache aus Erbrochenem und Blut.
„Verdammte Scheiße!“, stöhnte ich. Dann ließ ich mich auf die Knie fallen und rutschte zu ihm hinüber. Mit ein paar Handgriffen zog ich ihn auf die Seite und überstreckte seinen Kopf in den Nacken, um seine Atemwege freizumachen. Ich versuchte, um Hals seinen Puls zu ertasten – erfolglos.
Nach einem Blick in seine leblosen,
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