Nocturne City 02 - Blutfehde
Scheiß-auf-die-Umwelt-SUVs erkennen konnte, die vor den frisch verklinkerten Wohnhäusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkten.
Nachdem ich meinen 69er Ford Fairlane abgestellt hatte, ging ich zum Revier und lief die breite Steintreppe zum Eingang hinauf. An der Tür hielt ich inne, denn mir drang sofort der Gestank von altem Linoleum, kaltem Schweiß und schlechtem Kaffee in die Nase. Es roch vertraut und doch irgendwie fremd -gerade so, als würde man als Erwachsener sein altes Kinderzimmer wieder betreten. Ich atmete noch einmal tief durch und versuchte, mich auf die Blicke und leisen Kommentare vorzubereiten, die mich erwarteten. Dann drückte ich die Tür auf. Durch die veralteten Rückzugsfedern knallte sie hinter mir ziemlich laut ins Schloss. Spitze, Luna! Spätestens nach diesem Auftritt dürfte auch der letzte Kollege mitbekommen haben, dass du heute Nacht wieder anfängst.
Am Empfangstresen saß Rick, der ruckartig den Kopf hob, als ich hereinplatzte. Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen.
„Schön, Sie zu sehen, Detective!“, meinte er und kam hinter seinem hohen Pult, das wie eine Richterbank wirkte, hervor, um mir die Hand zu schütteln.
Ein Gefühl der Erleichterung machte sich in mir breit. „Freut mich auch, Sie wiederzusehen, Rick. Wie läuft’s mit Ihrem Kleinen?“
„Teddy? Super. Seit ein paar Wochen geht er in die Grundschule“, antwortete Rick strahlend. „Und wie geht’s Ihrer Cousine?“
Seine Frage verdarb mir auf der Stelle die Laune. „Sie ist ausgezogen und wohnt jetzt oben in Battery Beach.“
Rick stieß einen überraschten Pfiff aus: „Das ist aber eine ganz schöne Strecke.“
Es war tatsächlich eine ganze Ecke – so lang, dass meine Cousine Sunny sie nur alle paar Wochen auf sich nahm, um mich zu besuchen. Folglich hatte ich während der letzten drei Monate kaum mit ihr gesprochen, was unserer Großmutter Rhoda wahrscheinlich ausgesprochen gefiel. Früher hatten Sunny und ich zusammen bei Rhoda gewohnt, aber mit fünfzehn war ich von ihr auf die Straße gesetzt worden. Seitdem hatte ich sie nur ein einziges Mal um Hilfe gebeten, und bei diesem einen Mal hatte sie im Gegenzug meine Einwilligung verlangt, Sunny wieder zu sich nehmen zu dürfen. Ihrer Meinung nach sollte Sunny möglichst weit weg von mir und unserer gemeinsamen Wohnung leben. Weit weg von dem schlechten, unheilbringenden und unredlichen Einfluss der Werwölfin Luna Wilder. Verdammt soll sie sein, die alte Hexe!
Ich beendete meine Unterhaltung mit Rick und ging durch den schmalen, von Neonleuchten erhellten Flur zum Großraumbüro, in dem sich die Arbeitsplätze der Detectives befanden. Das Rumoren in meinem Magen schob ich wider besseres Wissen auf die zwei Schinken-Cheeseburger, die ich zum Abendessen verdrückt hatte.
Eigentlich konnte ich Sunny ihren Auszug nicht wirklich übel nehmen. Während der Geschichte mit Duncan waren schließlich viele unschöne Dinge passiert: Ein Hexer war in unser gemeinsames Haus eingebrochen, um mich zu töten, und hatte mir dabei eine Kugel verpasst, und später war Sunny auch noch vom Nocturne-City-SWAT-Team festgenommen worden. Ein geregeltes Alltagsleben sah sicherlich anders aus. Obwohl ich bereits seit drei Monaten allein wohnte, schnürte es mir immer noch jedes Mal das Herz zusammen, wenn ich die Tür unseres Hauses aufschloss, das dunkel und leer auf mich wartete.
In der hinteren Ecke des Großraumbüros stand mein Schreibtisch – verstaubt zwar, weil er seit Monaten nicht benutzt worden war, aber an seinem gewohnten Platz wie eh und je. Als ich näher trat, sah ich, dass jemand LECK MICH in die Staubschicht auf dem Computermonitor geschrieben hatte. Sofort drehte ich mich um und sah die Leute in dem halb leeren Raum prüfend an, aber niemand kicherte oder warf mir einen peinlich berührten Blick zu. Lediglich ein paar Neulinge vom Verkehrsdezernat starrten mit leicht geöffnetem Mund in meine Richtung.
„Entweder ihr schießt jetzt ein Foto, oder ihr macht den Mund zu!“, fuhr ich sie an und spürte dabei, wie mein Herz wild pochte. Mit einer Handbewegung wischte ich den Bildschirm ab, sodass anstelle der Buchstaben jetzt meine Fingerabdrücke den schwarzen Monitor zierten. Es sah ganz so aus, als ob es zumindest eine Person auf dem 24. gäbe, die nicht sonderlich erfreut über meine Rückkehr war. Und wenn es tatsächlich nur eine war, konnte ich mich wahrscheinlich noch glücklich schätzen.
„Mein Gott, Wilder, Sie sehen so aus,
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