Nocturne City 02 - Blutfehde
als sei Ihnen gerade ganz übel mitgespielt worden.“ Lieutenant McAllister trat an meinen Schreibtisch und sah mich mit ernster Miene an. Ich wusste, was die kleine Falte zwischen seinen Augenbrauen bedeutete -irgendetwas bereitete ihm ernsthafte Sorgen.
Um etwas Zeit für meine Antwort zu gewinnen und mich zu fassen, putzte ich mir mit gesenktem Blick den Staub von den Händen. „Es ist eben viel los heute Nacht, Mac.“
„Hab schon gehört, dass Ihnen so ein aufgeputschter Junkie mit seinem Jagdmesser die Augenbrauen etwas höher setzen wollte“, sagte er.
„Ja, nur zu schade, dass er sein Werk nicht vollenden konnte“, erwiderte ich, „dann hätte ich jetzt nämlich eine dieser sexy Augenklappen.“
Mac ergriff meine Schulter und schaute mir in die Augen. „Ich bin wirklich froh, dass Sie wieder da sind, Wilder … nach der Sache mit Duncan ist es hier drunter und drüber gegangen, und außerdem fehlen uns jetzt ein paar Leute.“
„Ja, ich habe Brysons widerliches Eau de Cologne auch schon vermisst“, bemerkte ich und wies mit dem Kinn auf den Schreibtisch, der meinem auf der anderen Seite des schmalen Gangs gegenüberstand. Dort hatte vor drei Monaten noch Dave Bryson gearbeitet. Anstelle seiner dämlichen Souvenir-Footballs schmückten jetzt die Familienfotos eines anderen Detectives diesen Arbeitsplatz.
„Um auf meine Anfangsbemerkung zurückzukommen … Sie sehen nicht gut aus, Wilder. Überhaupt nicht“, sagte Mac und hatte damit verdammt recht – ich fühlte mich nämlich wirklich nicht gut. Ganz und gar nicht gut! Allerdings wusste ich auch, dass mich jede weitere Minute in meiner totenstillen Wohnung irgendwann unweigerlich in den Wahnsinn getrieben hätte. Also nahm ich Macs Hand von meiner Schulter und log.
„Es geht mir gut, Mac. Ich habe nur noch etwas wacklige Beine wegen des Messerjunkies von vorhin.“ Außerdem gab es neben der unangenehmen Tatsache, dass jetzt jeder wusste, dass ich eine Werwölfin war, auch noch den nicht unerheblichen Fakt, dass Dmitri mich hatte sitzen lassen und ich mit all meinen Erinnerungen an uns beide eigentlich noch nicht bereit für den Dienst war – aber davon erzählte ich Mac lieber nichts.
„Ich hoffe, Sie verarschen mich nicht“, mahnte er. „Der Captain wollte Sie nämlich sprechen, sobald Sie wieder da sind.“
Ich brauchte einen Moment, um zu kapieren, dass er nicht Wilbur Roenberg meinen konnte. Roenberg war mein ehemaliger Captain auf dem 24. Revier, der aufgrund seiner Rolle im Duncan-Fall nun wegen Verschleierung mehrerer Morde lebenslänglich in einer Zelle in Los Altos saß. Zur Krönung meiner bis dato äußerst miesen Schicht wäre ein vertrauliches Gespräch mit Roenberg aber genau das Richtige gewesen.
„Über was will er denn mit mir reden?“
„Erstens ist er eine Sie, und zweitens hab ich keine Ahnung. Sie ist nämlich nicht sonderlich gesprächig.“
Macs Antwort überraschte mich etwas. Nur fünfzehn oder zwanzig der insgesamt zweihundert Detectives im NCPD waren weiblich. Und unter ihnen gab es lediglich eine Handvoll Lieutenants und meines Wissens nach nicht einen weiblichen Captain.
„Wer ist sie, und aus welcher Abteilung ist sie zu uns versetzt worden?“
„Verdammt, Wilder, ich kenne die Lebensgeschichte der Frau doch nicht auswendig. Sie war Schichtleiterin auf dem 34. und ist dann zu den Detectives versetzt worden. Ihr Name ist Matilda Morgan, und so wie ich sie bis jetzt erlebt habe, wird sie schnell pampig, wenn Leute zu spät kommen. Setzen Sie sich also lieber in Bewegung.“ Damit drehte sich Mac auf dem Absatz um und ging schnurstracks zurück in sein Büro, wo er die Tür so heftig hinter sich zuschlug, dass ich zusammenzuckte. Mac war normalerweise so unerschütterlich wie ein Gebirgsmassiv und nur schwer zu beeindrucken. Captain Morgan musste also ein ganz schön strenges Biest sein, wenn sie Mac derart reizen konnte.
Schöne Aussichten … ich konnte es gar nicht erwarten, von ihr in die Mangel genommen zu werden.
Missmutig machte ich mich auf den Weg den Flur hinunter zum Büro des Captains.
Während ich klopfte, bemerkte ich, dass Roenbergs Name von der Milchglastür entfernt worden war. MATILDA MORGAN – CAPTAIN stand nun dort, und die Buchstaben rochen noch nach Farbe.
„Herein!“, ertönte eine scharfe Stimme hinter der Tür. Sie klang, als gehöre sie einer Ausbilderin der Armee, und irgendwie auch wie die einer Rektorin eines katholischen Mädcheninternats.
Ich drehte den
Weitere Kostenlose Bücher