Nocturne City 02 - Blutfehde
ansatzweise ertragen konnte. Auf der anderen Seite war er der Einzige, den ich fragen konnte, wenn ich in dem Fall vorankommen und nicht als verstümmelter Fleischklumpen in Jouberts Mülltonne landen wollte. Ohne weiter über die Konsequenzen unseres Wiedersehens nachzudenken und mit dem guten Vorsatz, mich weder durch Dmitri noch Irina übermäßig provozieren zu lassen, fuhr ich einfach los – in Richtung Zentrum zum Versteck der Redbacks.
Als Irina die Wohnungstür öffnete und mich erblickte, schlug die Haut auf ihrer Stirn sofort Falten. Noch ein paar solcher Überraschungsbesuche, und sie würde in einigen Jahren sicher jede Menge Botox brauchen. „Was willst du hier? Die Ältesten haben ihr doch gesagt, dass du dich von uns fernhalten sollst.“
„Kannst ja die Polizei rufen“, witzelte ich grinsend. „Ich muss mit Dmitri sprechen.“
„Nein“, antwortete sie und wollte die Tür zuschlagen, aber ich streckte rasch meinen Arm aus und fing sie damit ab.
„Ich glaube, du verstehst nicht ganz, worum es geht. Wenn ich sage, ich muss mit Dmitri sprechen, dann werde ich auch mit ihm sprechen. Außerdem habe ich es langsam satt, dass mir alle Welt die Tür vor der Nase zuschlagen will.“
Völlig unbeeindruckt von meiner Ansage, versuchte Irina nun mit einem angestrengten Knurren, die Tür zuzudrücken. Ich aber hielt beharrlich dagegen und bemühte mich erst gar nicht, meine Verachtung beim Blick in ihre goldbraunen Augen zu verbergen. „Du verschwendest nur meine Zeit, Irina. Ich werde so oder so reinkommen.“
„Warte nur, bis ich dich allein erwische!“, fauchte sie.
„Bilde dir ja nicht zu viel ein, Prinzesschen! Ich würde dich nämlich in Stücke reißen und deine Überreste zu Speckwürfeln verarbeiten.“ Obwohl ich wusste, dass meine große Klappe eigentlich überall Eindruck machte, hoffte ich in diesem Augenblick nur, dass sie über meine Angst hinwegtäuschte. Ich hatte nämlich keine Ahnung, wie stark Irina wirklich war, und wusste, dass sie sich als Redback jederzeit verwandeln konnte. Nach einem weiteren Blick in ihr blasses Zuckerpuppengesicht wischte eine unbändige Wut jedoch sämtliche Bedenken beiseite.
„Jetzt mach endlich den Weg frei, du Silikonbraut!“, schrie ich und stemmte mich noch energischer gegen die Tür.
„Was ist da los, Irina?“, rief Dmitri und trat auf den Flur. Bis auf eine Jeans, die von einem Nietengürtel gehalten wurde, hatte er nichts weiter an. Bei diesem Anblick wurde mir schlagartig klar, womit die beiden gerade beschäftigt gewesen waren, als ich angeklopft hatte. Sofort loderte eine unbändige Eifersucht in mir auf und provozierte die Wölfin in mir, die ihren Anspruch auf ihr Männchen gefährdet sah. Mit einem lautstarken Knurren stieß ich die Tür auf. Die Wucht meiner Bewegung riss nicht nur die Tür aus den Angeln, sondern schickte auch Irina auf die Bretter. Dmitri schaute dem ganzen Schauspiel nur regungslos zu, aber als mich dann sein Blick fixierte, flackerten seine Augen goldfarben auf.
„Was soll das, Luna?“ Mit ein paar schnellen Schritten kam er zur Tür und half Irina auf, die sich wimmernd an ihn klammerte.
„Sie will mich töten, Dmitri.“
Bei den sieben Höllen!, fluchte ich in mich hinein. Noch ein Wort und ich … Irina hatte mich mit ihrer Nummer der schutzbedürftigen Scarlett O’Hara in null Komma nichts zur Weißglut getrieben, sodass ich tatsächlich kurz davor war, grün anzulaufen und die Wohnung in ihre Einzelteile zu zerlegen.
„Ich denke nicht, dass sie das tun will“, antwortete Dmitri nüchtern und verzog dabei den Mund. Dann drückte er Irina kurz und schob sie den Flur hinunter. „Geh wieder ins Schlafzimmer, Liebling. Ich komme in einer Minute nach.“
„Du darfst aber nicht mit ihr sprechen!“, empörte sich Irina. „Die Rudelältesten haben doch …“
„Die Ältesten werden von der ganzen Sache nichts erfahren, nicht wahr, Irina?“, unterbrach Dmitri ihr Gezeter. Dabei warf er ihr einen Blick aus seinen dunkelgrünen Augen zu, der unsägliche Schmerzen bei Zuwiderhandlung verhieß und schon den Mitgliedern seines Rudels bedingungslosen Gehorsam abverlangt hatte. Irina senkte ihren Kopf in einer Geste der Unterwerfung und verschwand dann im Schlafzimmer.
„Die hast du aber verdammt gut abgerichtet!“, sagte ich mit bitterböser Stimme, um den Schmerz zu überspielen, den ich in meinem Herzen empfand. „So ein kleines Halsband mit Glöckchen hast du ihr aber noch nicht umgelegt,
Weitere Kostenlose Bücher