Nocturne City 02 - Blutfehde
Vincent Blackburn vor. Wahrscheinlich war er elendig erstickt.
Bei einem anaphylaktischen Schock beginnt erst das Herz zu rasen, um das Gift aus dem Körper pumpen, bevor dann Luftröhre und Rachenraum zuschwellen und der ganze Körper krampft, Auf diese Weise tötet nur, wer das Opfer unter Höllenqualen ins Jenseits schicken will.
„Außerdem habe ich im Blut des Toten noch Spuren einer ganzen Reihe anderer ungewöhnlicher Stoffe nachweisen können“, sagte Kronen. Ich blätterte weiter und fand auf der nächsten Seite einige chemische Symbole, neben die Kronen in seiner ordentlichen, aber etwas verkrampft wirkenden Handschrift die Namen geschrieben hatte. Holzkohle- Blei. Kupfer. Als ich die Auflistung las, begann der kleine Punkt zwischen meinen Augen sofort wieder heftig zu pulsieren, denn ich hatte diese Liste schon einmal gesehen – und zwar bei meiner Großmutter, einer Hexe.
„Sagt Ihnen das irgendwas, Detective?“, fragte Kronen und fügte nach kurzem Zögern hinzu: „Ehrlich gesagt, bin ich ziemlich verblüfft über diese Ergebnisse, denn ich hatte erwartet, Heroin in der Blutprobe nachzuweisen. Stattdessen stoße ich nun auf Spuren metallischer Elemente.“
„Es handelt sich um Zutaten“, sagte ich mit einem Seufzer, „Zutaten für den Zauber einer Casterhexe.“
Kronen machte ein überraschtes Gesicht und zog unwillkürlich eine Augenbraue nach oben. „Und was hat das zu bedeuten?“
„Nun, es bedeutet, dass wir recht haben“, antwortete ich und spürte, wie diese Erkenntnis meinen Puls nach oben trieb. „Der Tod des jungen Blackburn ist ein Mord gewesen, den jemand genau geplant hat, und ganz gewiss kein einfacher Tod durch Überdosis.“ Zur Hölle mit Shelby! Warum hatte sie mir nicht gleich nach Vincents Tod von der Fehde der beiden Familien erzählt? Damit hätte sie das blutige Chaos im O’Halloran Tower verhindern und das Leben ihres Onkels retten können.
„Übrigens stimmen die Untersuchungsergebnisse von Vincent Blackburns Leiche mit denen Ihres ersten toten Junkies überein“, erklärte Kronen. „In geringeren Mengen und einer etwas anderen Zusammensetzung zwar, aber im Grunde sind es die gleichen Spuren.“
Anfänglich fiel es mir schwer, einen sinnvollen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen zu erkennen, aber dann machte es plötzlich klick. „Dieser gottverdammte Hurensohn!“, fluchte ich und erntete dafür sofort einen tadelnden Blick von Kronen.
„Bryan Howard war nichts weiter als ein Versuchskaninchen“, murmelte ich. „Sie haben ihn benutzt, um den Zauber zu perfektionieren. Und dieser verdammte Idiot Edward hat wahrscheinlich Geld dafür bekommen, seinem Fixerkumpel das tödliche Zeug unterzujubeln.“
„Ich glaube, ich kann Ihrer Theorie nicht ganz folgen, Detective, aber das muss ich wohl auch nicht, oder?“, fragte Kronen.
Ich war so wütend, dass ich ein Loch in die Wand vor mir hätte schlagen können. Allem Anschein nach war da ein Mensch für nichts und wieder nichts gestorben und hatte sein Leben bei einem unfreiwilligen Experiment lassen müssen. Bryan Howard war nichts weiter als ein unschuldiges Opfer in einem abartigen Spiel.
„Nein“, antwortete ich schließlich auf Kronens Frage, „das müssen Sie nicht, und wollen Sie auch gar nicht, Doc.“
Ich gab ihm den Bericht zurück. „Vorerst sollte die ganze Sache unter uns bleiben. Können Sie im Fall von Vincent Blackburn Mord als Todesursache festlegen, ohne den ausführlichen Bericht einzureichen?“
„Wahrscheinlich.“ Kronen strich sich über das Kinn. „Dann gehe ich recht in der Annahme, dass es auch nicht sonderlich schlau wäre, diese Ergebnisse irgendjemandem zu zeigen?“
Bei seiner Frage musste ich unweigerlich über das Verhalten meiner Kollegen bei den Morden nachdenken: Nach der Explosion in der Parkgarage hatten Unmengen von Streifenpolizisten den O’Halloran Tower und den Tatort abgesichert, während ich bei Vincent Blackburns Leiche nur von einer Handvoll Uniformierter unterstützt worden war. Es war nur allzu offensichtlich, dass meine Vorgesetzten einer Theorie, nach der eine allseits geachtete Stütze der Gesellschaft wegen einer Rivalität zwischen zwei Hexenclans einen unbedeutenden Drogendealer ermordet haben soll keine Sekunde lang Glauben schenken würden. Wenn ich Morgan mit dieser Story käme, würde sie mich entweder sofort feuern oder in die Psychiatrie einweisen lassen.
„Genau, Bart, besser, Sie behalten die Ergebnisse erst mal für sich.
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