Nocturne City 02 - Blutfehde
oder?“
„Hex noch mal, Luna!“, stöhnte Dmitri und setzte sich in einen der zerschlissenen roten Sessel. „Bist du etwa nur gekommen, IHM hier Gift und Galle zu speien?“ Anstatt zu antworten, holte Ich kurz Luft und sah mich um. Die Wohnung war genauso spartanisch eingerichtet wie das Quartier seines Rudels in Ghosttown. Es wirkte fast so , als hätten Dmitris Großeltern ein paar Jahrzehnte in dem Apartment gehaust und sich dann irgendwann, ohne sauber zu machen oder neue Möbel anzuschaffen, aus dem Staub gemacht.
„Nein“, erwiderte ich schließlich auf seine Frage. „Es mag dich überraschen, aber das war eigentlich nicht der Grund meines Besuchs. Eigentlich wollte ich …“ Nach der Hälfte des Satzes blieben mir die Worte im Hals stecken. Wie konnte ich ihn um einen Gefallen bitten, nachdem wir auf so schreckliche Weise auseinandergegangen waren und er sich für sein verfluchtes Rudel und gegen mich entschieden hatte?
Die Antwort lag auf der Hand: Ich brauchte den Beweis, dass er mich immer noch wollte. Seit der hässlichen Szene vor dem Bete Noire hatte mich nur diese eine Hoffnung durchhalten lassen. Unser Wiedersehen war förmlich von mir herbeigesehnt worden, und nun stand ich dort – gequält von meinem Verlangen und dem Wunsch, ihn zurückerobern zu können.
„Dmitri, ich brauche deine Hilfe“, sagte ich bestimmt und laut genug, dass es Irina hören konnte. „Ich hab einen gefährlichen Ausflug zu einem ziemlich miesen Typen vor mir, und nach langer Grübelei ist mir klar geworden, dass du die einzige Person bist, die mich dabei unterstützen würde.“
Dmitri machte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck, kreuzte seine Finger und sagte dann: „Ich kann dir nicht mehr helfen, Luna.“
Ich hob die Hand, um seinen Einwand zurückzuweisen. „lass mich doch erst mal erklären. Also … da ist ein Werwolf namens Benny Joubert, den ich wegen eines Mordfalls befragen muss Wenn ich allein gehe, stehe ich als Insoli einem erbarmungslosen Gewaltverbrecher gegenüber, und sollte er dann noch mitkriegen, dass ich eine Polizistin bin, wird er mich richtig übel zurichten. Aber du kennst mich – ich würde trotzdem gehen, also denk wenigstens kurz drüber nach, bevor du Nein sagst.“
Wenn es nötig war, konnte ich verdammt manipulativ sein. Auch dieses Mal schien meine Masche zu funktionieren, denn Dmitri stellte das abweisende Gepose ein und fuhr sich mit der Hand über Augen und Stirn. Dann strich er sich nachdenklich sein kupferrotes Haar glatt, das Irina ihm wohl gerade beim Sex zerwühlt hatte.
„Hast du überhaupt eine Ahnung, was du mir da antust?“, murmelte er so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte.
„Nichts im Vergleich zu dem, was Irina mit dir im Schlafzimmer treibt, nehme ich an.“ Kaum hatte ich meinen Giftpfeil abgeschossen, fühlte ich mich wie ein Riesenscheusal. Dmitri ließ seine Hand sinken und schaute mich mit einem Blick an, der mir unmissverständlich zu verstehen gab, dass meine Worte ihn verletzt hatten.
„Verdammt, Luna, warum hast du nicht zugelassen, dass ich dich ins Rudel aufnehme, als ich noch die Chance dazu hatte? Dann hätte es keinen Ärger mit den Rudelältesten gegeben, und statt mit Irina würde ich mich jetzt mit dir paaren“, erklärte er niedergeschlagen. Dann stützte er seine Ellbogen auf die Oberschenkel und ließ sein Kinn in die Hände sinken. „Ich denke die ganze Zeit an dich, Luna. Verdammt, ich rieche dich sogar! Irgendwie bist du in mir – wie der verdammte Dämon …“
Sanft ließ ich meine Fingerspitzen über seine nackte Schulter wandern. Als wir noch zusammen gewesen waren, hatte ich an seiner Reaktion auf diese Berührung immer genau erkennen können, wie es um seinen Gemütszustand bestellt war. Mit seinem frustrierten Seufzer atmete Dmitri aus.
„Ich brauche deine Hilfe“, flehte ich ihn erneut an. „Ich bitte dich, Dmitri.“ Bitte sag Ja und zeig mir, dass das alles nur ein fürchterliches Missverständnis ist.
„Wie könnte ich Nein sagen?“, antwortete Dmitri mit einem erneuten Seufzer. „Du würdest auch ohne mich hingehen.“
„Danke, Dmitri!“, flüsterte ich und merkte, wie die Anspannung von mir abfiel. „Glaub mir, ich bin dir wirklich sehr dankbar dafür.“ Erst in diesem Augenblick wurde mir klar, wie sehr ich mich eigentlich davor gefürchtet hatte, Benny Joubert allein gegenüberzutreten. Oft genug hatte ich die schmerzliche Erfahrung machen müssen, dass ich gegen ein ausgewachsenes
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