Nocturne City 02 - Blutfehde
sagen.“
Bevor ich vollkommen begreifen konnte, dass die nur knapp vereitelte Bluttat an Joubert nicht nur mich, sondern auch Dmitri erregt hatte, unterbrach Irina das spannungsgeladene Schweigen. „Komm, Dmitri, ich bring dich nach draußen. Du bist nämlich ganz und gar nicht in Ordnung“
„Mir geht’s gut, Irina! Hör endlich auf, mich dauernd so zu bemuttern!“, schrie er, und sie zuckte so heftig zusammen, als habe er ihr gerade eine Backpfeife verpasst.
Ich packte Joubert am Kragen, schleifte ihn ins benachbarte Esszimmer und setzte ihn dort auf einen Stuhl. Er brüllte kurz auf, als ich ihn anpackte, aber ich wusste, dass es nur der halbherzige Widerstand eines besiegten Werwolfs war. „Die Loups werden dich töten, wenn sie davon erfahren.“
„Sag bloß, du würdest deinem Rudel tatsächlich erzählen, dass eine Insoli und ein Redback dir den Arsch aufgerissen haben?“, fragte ich ihn mit einem schadenfrohen Lachen. „So wie ich die Sache sehe, solltest du dich lieber glücklich schätzen, dass deine Luftröhre noch nicht total zerrissen da drüben in der Ecke liegt!“
„Okay, was willst du, Cop?“, fragte er mich mit finsterem Blick.
„Vincent Blackburn …“, begann ich. „Ich weiß, dass er ermordet worden ist, und ich weiß auch, dass die O’Hallorans die ganze Sache eingefädelt haben.“ Ihre Gründe kannte ich zwar noch nicht, aber das musste ich Joubert ja nicht auf die Nase binden. „Jetzt will ich von dir wissen, wer die Drecksarbeit für sie gemacht hat! Bist du es vielleicht gewesen? Hat Vincent dich verarscht, sodass dir der Plan der Casterhexen gerade recht kam?“, fragte ich energisch.
Joubert schnaubte verächtlich. „Ganz kalt, Lady! Vincent ist nicht smart genug gewesen, um mich zu linken. Der Bengel war ein verdammter Junkie; ständig pleite und zu nichts zu gebrauchen! Für Dope hätte der sich ein Kleid angezogen und einen Ziegenbock bestiegen, verdammt!“
„Jetzt hör mir mal gut zu, Joubert“, fuhr ich ihn an. „Wenn du mir nicht augenblicklich erzählst, wer Vincent ermordet hat -und ich weiß, dass du es weißt oder zumindest die Hintermänner kennst –, dann wird ganz Nocturne City in einem Flammenmeer aufgehen. Dein Dope kannst du dann ins Klo schütten, mein Freund, weil die Leute weder die Zeit noch die Kohle dafür haben werden, um in deinem Drecksladen zu koksen.“
Teilnahmslos stieß Joubert einen gelangweilten Seufzer aus und starrte zur Decke. „Warum Vincent?“, fragte ich mit leiser Stimme. „Er hat doch praktisch zur Mannschaft gehört. Was hat er getan, um so einen Tod zu verdienen?“ Die Erinnerung an Vincents zusammengerollten. Körper wühlte auch die unangenehmen Gedanken an seine letzten Minuten – diese sinnlosen Schmerzen auf dem Weg in einen qualvollen Tod – wieder in mir auf. Es war mir noch immer unbegreiflich, wie man einen Menschen so bestialisch ermorden konnte. Trotz meiner gewalttätigen Natur war mir nichts fremder, als einem anderen Lebewesen willentlich derartig grausame Schmerzen zuzufügen.
„Ich hab doch gesagt, dass er dauernd pleite gewesen ist“, erklärte Joubert und zog eine zerquetschte Zigarettenschachtel aus seiner Hosentasche. „In unseren Club kommen relativ viele Promis und gesellschaftliche Größen, wie man so schön sagt. Vincent, das Spatzenhirn, hat irgendwann beschlossen, dass es nicht ausreicht, diesen Leuten einfach nur Koks zu verkaufen.“ Langsam atmete er den stinkenden blauen Qualm aus. „Hinter unserem Rücken wollte er sich was mit dreckigen Videobändern und befleckten Höschen dazuverdienen …“
In diesem Moment machte es in meinem Hirn so laut klick, dass ich fast Angst hatte, Joubert würde es hören können. Schlagartig wurde mir klar, warum Vincent hatte sterben müssen. Nicht wegen eines Krieges zwischen verfeindeten Hexenclans. Nicht aus Rache, verletztem Ehrgefühl oder ähnlich hochtrabenden Beweggründen.
„Erpressung“, stieß ich hervor.
„Richtig“, sagte Joubert nickend. „Dieser verdammte Vollidiot … Das war ein richtig schöner Nebenerwerb, und dann kommt uns diese Schwuchtel dazwischen, und alles geht den Bach runter.“
„Wen hat er erpresst?“, fragte ich. „Gib mir die Namen, und wir lassen dich zufrieden.“ Ich sagte zwar wir, ahnte aber, dass Dmitri, der wie ein bedrohlicher Schatten im Türrahmen lauerte, andere Pläne hatte.
Überhastet stand Joubert auf und flüchtete mit ein paar schnellen Schritten aus meiner Reichweite. Durch seine
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