Nocturne City 02 - Blutfehde
Dmitri an mich heran, half mir hoch und zog mich von der Leiche weg. „Warte im Auto auf uns!“, forderte er Irina auf und führte mich aus dem Esszimmer. Behutsam legte er seine Hände auf meine Schultern, sodass ich zu ihm aufsehen musste. Seine Berührung ließ ein Zittern durch meinen Körper laufen. „Was zum Teufel ist da eben passiert?“, fragte er.
„Ich denke, wir beide wissen genau, was passiert ist, Dmitri …“
Er neigte seinen Kopf etwas zur Seite und schloss die Augen. Offensichtlich wollte er das Geschehene genauso wenig wahrhaben wie ich. Was sich Joubert gerade angetan hatte – dieser fremdgesteuerte Selbstmord –, konnte nur mit Dämonenmagie erklärt werden. Diese Erkenntnis war äußerst beängstigend, denn abgesehen von der Tatsache, dass eigentlich niemand in der Lage sein sollte, diese Magieform anzuwenden, musste ich mich nun fragen, welche Hexe in Nocturne City so mächtig war, um mit der Magie eines Dämons den Selbstmord einer anderen Person zu erzwingen.
„Muss eine Bluthexe gewesen sein, oder?“, bohrte Dmitri und verstärkte mit seiner Frage das krampfartige Gefühl in meiner Magengegend. Insgeheim dankte ich es ihm aber, denn er hatte mich schon früher mit seiner Unnachgiebigkeit auf die richtige Fährte gelenkt.
„Denke schon“, antwortete ich, verschwieg ihm allerdings, dass die Blackburns als Täter nicht wirklich infrage kamen. Vincents Familie war alles andere als wohlhabend und gehörte eher nicht zum typischen Klientel eines exklusiven und vor allem teuren Fetischclubs. Selbst wenn Joubert sie mit Fotos oder Videos erpresst haben sollte, hätte es bei ihnen außer den Blutkonserven im Keller und den schwarzen Lederklamotten nicht sonderlich viel zu holen gegeben. Eine Erpressung war demnach zumindest in Bezug auf diese Familie auszuschließen. Victor Blackburns einziges plausibles Motiv für die Ermordung Jouberts hätte darin bestanden, den Mörder seines Sohnes Vincent über den Jordan zu schicken. Ich glaubte allerdings nicht daran, dass Joubert der Mörder gewesen war, und somit machte auch dieser Erklärungsversuch wenig Sinn. Die ganze Geschichte passte vorn und hinten nicht.
„Lass uns abhauen“, sagte ich zu Dmitri und versuchte, das wacklige Gerüst aus vagen Ahnungen und halbgaren Verdachtsmomenten vorerst zu verdrängen. „Ich muss jetzt unbedingt herausfinden, wer der andere Inhaber des Clubs ist.“
„Warte mal, Luna. Ich hätte zwar nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde, aber sollten wir nicht lieber die Bullen rufen?“, fragte Dmitri.
Gedankenversunken wandte ich Jouberts Leiche den Rücken zu und ging in die Küche, um dem ekelhaften Gestank des Werwolfbluts zu entfliehen und mich konzentrieren zu können. Auch dort roch es unangenehm, aber erträglicher als in den anderen beiden Räumen. „Noch nicht“, antwortete ich. „Im Moment wäre es gar nicht gut, wenn mein Captain hier reinmarschieren würde.“ Ich wusste, dass ich in stressigen Situationen ein leicht feindseliges Verhalten an den Tag legte und andere Leute damit regelmäßig vor den Kopf stieß. Matilda Morgan würde ein derartiges Verhalten keinesfalls dulden – schon gar nicht an einem blutverschmierten Tatort wie diesem.
„Ja, da hast du wohl recht“, kommentierte Dmitri meinen Einwand. Dann öffnete er den Kühlschrank und zuckte mit angewidertem Gesichtsausdruck zurück. „Verdammt, ist das ekelhaft … das würde ja noch nicht mal als wissenschaftliches Experiment durchgehen!“
„Wenigstens sind es keine Köpfe oder Finger oder …“
Dmitri hob die Hand, um mir Einhalt zu gebieten. „Danke, Luna. Ich hab’s kapiert!“
„Warum hast du Irina zur Partnerin genommen?“, platzte es unvermittelt aus mir heraus. „Du hast doch genau gewusst, wie sehr mich das verletzen würde!“
Dmitri seufzte, lehnte die Stirn gegen die geschlossene Kühlschranktür und sagte dann mit dem Rücken zu mir gewandt: „Das haben wir doch alles schon besprochen, Luna.“
„Ich weiß, ich weiß …“, antwortete ich mit einer Verbitterung, die mich selbst überraschte. „Du musst tun, was dein Rudel verlangt. Schön an die Kette haben sie dich gelegt, was?“
Wutentbrannt schlug Dmitri mit der Faust gegen den Kühlschrank, sodass ich erschrocken zusammenfuhr. „Mir gefällt das genauso wenig wie dir, Luna!“, knurrte er und drehte sich abrupt zu mir um. Seine Augen hatten sich erneut pechschwarz verfärbt und loderten wie Feuer. „Ich hatte nach dem Kampf mit
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