Nocturne City 02 - Blutfehde
Drecksweib?“, schrie Joubert, und ich ahnte, dass er das Wort Drecksweib dabei nicht in dem Sinne benutzte, wie es gewöhnliche Menschen taten. Vielmehr meinte er mit Drecksweib, dass er sich mit mir, dem Weibchen, jetzt paaren würde, wobei ihm mein Einverständnis herzlich egal war, weil ich Dreck für ihn war.
Offensichtlich waren Joubert meine gemurmelten Beleidigungen nicht entgangen, denn im nächsten Moment fuhr er mich an: „Was nuschelst du da?“
Ich hob meinen Kopf und blinzelte ein paarmal, um durch den Blutfilm auf meinen Augen sehen zu können. „Ach, nichts eigentlich … ich wollte nur sagen, dass du deinen Schniedelwutz gar nicht erst auszupacken brauchst, weil ich nicht auf Miniwürstchen stehe!“
In bestimmten Situationen konnte es sehr hilfreich sein, ein vorlautes Mundwerk zu haben. Diese Situation gehörte jedoch mit Sicherheit nicht dazu, denn als Antwort auf meinen Kommentar stieß Joubert ein markerschütterndes Knurren zwischen seinen gefletschten Zähnen hervor und hob drohend seine Hand, an der ein paar widerwärtig dreckige Fingernägel prangten. Ich wartete auf den Schlag, doch es kam nicht mehr dazu, denn im nächsten Moment wurde seine Haustür mit einer solchen Wucht aufgetreten, dass sie in mehrere Teile zerbrach.
Wie aus dem Nichts stand plötzlich Dmitri vor uns, packle Jouberts freien Arm und verdrehte ihn wie eine weiche Nudel Sein Handgelenk knackte lautstark, und ich zuckte unfreiwillig zusammen. „Lass gefälligst deine Dreckspfoten von ihr“, polterte ihn Dmitri an, „oder ich reiß dir auf der Stelle den Arm ab und mache dann mit deinen Eiern weiter.“
„Fick dich doch ins Knie, du Armleuchter!“, knurrte Joubert zurück. Daraufhin fuhren beide ihre Eckzähne aus und versuchten, den jeweils anderen zu dominieren. Da Joubert immer noch an meinen Haaren zerrte, biss ich ihm mit aller Kraft in die Hand. Schmerzerfüllt schrie er auf und ließ mich los. „Ist das etwa deine?“, fragte er Dmitri mit zusammengebissenen Zähnen. „Ich verstehe ja, dass ein Mann was für seine Bedürfnisse braucht, aber du hättest die Schlampe besser abrichten sollen!“ Dann verzogen sich seine Lippen zu einem obszönen Grinsen, und er fügte hinzu: „Wenn du willst, kann ich das auch besorgen!“
Kalte Wut – dieser Ausdruck war bisher wenig mehr als eine inhaltslose Floskel für mich gewesen, aber jetzt sah ich mit einem Blick in Dmitris Gesicht, was damit gemeint war. Seine Züge offenbarten nichts außer Zorn, der nur wenig mit der flammenden Leidenschaft von Messerstechereien oder Kneipenschlägereien gemein hatte, sondern in seiner Blutlust eiskalt kalkulierend war. Er verkörperte die kontrollierte Wut eines erbarmungslosen Jägers, die sich nun voll und ganz gegen Joubert richtete.
„Dieser Spruch, mein Lieber“, raunte Dmitri in einem Ton, der noch furchteinflößender als sein finsteres Knurren war, „war die schlechteste Idee deines jämmerlichen Lebens.“
Nach einem ohrenbetäubenden Brüllen bleckte Dmitri mit geschlossenen Lidern seine gewaltigen Reißzähne. Als er die Augen wieder öffnete, hatten sie sich pechschwarz verfärbt, als habe jemand dunkle Tinte auf seine Pupillen geträufelt. Ich schreckte instinktiv zurück und presste mich angsterfüllt gegen den Treppenabsatz hinter mir. Derart schwarze Augen hatte ich noch nie gesehen – zumindest nicht bei einer lebenden Kreatur, und schon gar nicht bei Dmitri.
Joubert jaulte wie ein hilfloses Tier, als er quer durch den Raum gegen eine Wand geschleudert wurde und danach in einem Regen aus Putz und Dreck auf dem Boden aufschlug. Mit angsterfüllten Augen starrte er auf die sichelförmigen Klauen, die aus Dmitris Fingern hervorstießen, während sich dieser mit den bedachten Bewegungen eines jagenden Wolfs seiner Beute näherte.
Obwohl die Blutungen an meinem Kopf nachgelassen hatten, brummte mir noch immer der Schädel. Wenigstens hatte sich mittlerweile die Gewissheit eingestellt, dass ich trotz meiner relativ schweren Verletzung überleben würde, und ich war auch wieder klar genug, um zu begreifen, dass ich Joubert lebend brauchte. Ich öffnete gerade den Mund, um Dmitri von seinem Vorhaben abzuhalten, als Irina durch die Tür gestürmt kam und sich schreiend auf Dmitri warf. „Stopp, Dmitri! Du darfst ihn nicht töten!“
Dmitri aber warf Irina von sich, wie andere Leute einen lästigen Terrier vom Bein schütteln, sodass sie zum zweiten Mal an diesem Tag auf dem Hintern landete. „Komm mir
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