Nocturne City 03 - Todeshunger
Verstand, wenn du verschwindest. Ich denke immer, ich sehe dich nie wieder.«
»Keine Angst, so schnell wirst du mich nicht los«, entgegnete ich und bemühte mich, meine trockene Antwort in einen möglichst versöhnlichen Tonfall zu verpacken, was mir aber nicht wirklich gelang. »Pass auf, Sunny, ich bin Opfer einer Entführung geworden, und deshalb ist es wichtig, dass Bryson so schnell es geht meine Aussage aufnimmt und die Spuren sichert, die sich noch an meinem Körper befinden.«
»Gut«, sagte Sunny. »Gib mir die Nummer der Telefonzelle, dann sage ich auf dem 24. Bescheid, dass sie dich anrufen sollen.«
Ich gab sie ihr, legte auf und starrte auf den vorbeirasenden Verkehr, um mich von den Gedanken an die Ereignisse der vergangenen Nacht abzulenken.
Nach einer Stunde tauchte Bryson auf und begrüßte mich mit einem seiner lieblichen Kommentare: »Ach du heilige Scheiße, Wilder, du siehst ja aus wie ein Wald-und-Wiesen-Hippie!«
»Danke, David. In diesem Witz von einem Anzug siehst du tot aus.«
Mit einem eingeschnappten Gesichtsausdruck strich er über das Revers seines lehmbraunen Anzugs. »Kein Grund, mit fiesen Kommentaren um sich zu werfen.«
»Ich habe gerade splitternackt eine Nacht in den Wäldern verbracht«, brummte ich. »Glaub mir, es ist ein schlechter Augenblick, um mir Vorhaltungen zu machen.«
Stumm öffnete er die Beifahrertür und legte mir den Gurt an. Dann ließ er den Wagen an und fuhr Richtung Innenstadt.
»Also, was ist passiert?«, fragte Bryson.
»Ich …« Ich sah die Gesichter der Männer. Es gab eine Schlägerei. Am Ende haben sie mir eine Kanüle in den Hals gejagt. Von da an bis zu meinem Erwachen unter einem Strauch im Niemandsland ist alles verwischt, von Angst und Panik verzerrt … »Ich will erst drüber reden, wenn ich muss.«
»Nur eine Frage«, sagte Bryson. »Denkst du, es waren dieselben Leute, die auch die anderen vier erledigt haben?«
Ich dachte einen Augenblick lang nach: Meine Kidnapper hatten sich nicht die geringste Mühe gegeben, ihre Gesichter zu verbergen, waren selbstsicher und unbekümmert vorgegangen. Sie waren sicher gewesen, dass ich im Wald das Zeitliche segnen würde.
»Ja«, sagte ich. »Ich denke schon.«
»Scheiße«, brummte Bryson und packte das Steuer noch fester. »Warum wird mein Leben immer so verdammt kompliziert, wenn du auftauchst?«
»Tut mir leid, David«, entgegnete ich mit einem gelangweilten Gähnen. »Das nächste Mal sage ich den Typen, sie sollen sich jemand anders schnappen, weil das Leben meines Kollegen sonst so kompliziert wird.«
Wir erreichten das Krankenhaus, und Bryson ließ mich im Auto warten, bis er mir ein paar Flipflops besorgt hatte, damit ich nicht barfuß hineingehen musste. »David, irgendwie macht es mich äußerst nervös, dass du so nett zu mir bist«, sagte ich.
»Nimm s nicht persönlich«, sagte er. »Du bist jetzt eine Zeugin, da muss ich sichergehen, dass du in guter Verfassung für die Aussage bist.«
In der Notaufnahme kam es mir vor, als starrten mich alle an, sodass ich Bryson anfauchte, er solle den Vorhang vor meiner Untersuchungsliege zuziehen.
»Schon gut, schon gut«, sagte er. »Ich habe von unterwegs die Spurensicherung angerufen. Die müssen jede Minute hier sein.«
Bryson hatte nicht zu viel versprochen: Nach nicht einmal einer Minute marschierte Pete Anderson mit einem Metallkoffer in der Hand und einem abgehetzten Gesichtsausdruck durch die Schwingtür der Rettungsstelle.
»He, Detective«, rief er, als er uns entdeckte. Bryson und ich begannen gleichzeitig zu antworten, aber Pete schnitt uns das Wort ab. »Mein Gott, Officer Wilder …«, ächzte er, als er mich mit weit aufgerissenen Augen gemustert hatte. »Sind Sie … ich meine, was ist geschehen?«
»Ich würde vorschlagen, Sie untersuchen erst mal ihre Kleidung und ihren Körper auf Spuren und Abdrücke«, riet ihm Bryson. Pete nickte nur, ohne den Blick von mir zu wenden. Ich hatte ihn während des Duncan-Falls kennengelernt, als er noch als kleines Licht bei der Spurensicherung nach dem Verbleib verschwundener Personen geforscht hatte. Inzwischen hatte man ihn befördert; mit seinem rasierten Schädel und den Kontaktlinsen sah er nun eher wie ein Actionheld als der bebrillte Laborkauz aus, an den ich mich erinnerte.
»Gut, ich höre.«
»Heute ist sie keine Polizistin, mein Sohn«, sagte Bryson. »Sie ist Opfer eines Verbrechens. Tun Sie Ihren Job.«
»Ich erweise ihr Respekt«, sagte Pete. »An Officer
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