Noelles Demut
aber ich muss es verarbeiten, um für Simon frei zu sein.“
„Simon, Simon! Du musst das für dich tun.“
Noelle schmunzelte. Es war typisch für Lydia, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, wenn sie verunsichert war. „Letztendlich tue ich das für mich. Wenn sich meine Vergangenheit nicht mehr in unsere Spiele einschleicht, bin ich frei für Simons Hemmungslosigkeit, und glaube mir, das werde ich in vollen Zügen genießen.“
Lydia griff nach Noelles Weinglas und leerte es in einem Zug. „Was fühlst du dabei?“
„Wenn er mich hemmungslos …“
„Nein“, lachte Lydia. „Wenn er dich schlägt. Warum macht dich das nicht wütend?“
„Es ist nicht so, dass es mich nicht wütend macht. Das Ganze ist ein Spiel. Zum Beispiel gestern Morgen: Als ich aufgewacht bin, war Simon nicht da. Er hatte mir einen Brief geschrieben, in dem stand, dass ich nicht allein im Club rumlaufen soll. Natürlich bin ich durch dieses Verbot erst richtig neugierig geworden. Er hat mich dafür bestraft.“
„Das ist doch lächerlich.“
„Nein, ist es nicht. Ohne dieses Spiel wäre es nur Schlagen. So ist es eine Verfehlung, für die ich bezahle. Er hat mir zehn Schläge mit der Peitsche zukommen lassen. Schon an diesem Andreaskreuz gefesselt zu sein, hat mich erregt. Meine Sinne sind aufs Äußerste geschärft. Ich nehme jede Berührung viel intensiver wahr. Wenn das Leder meine Haut trifft, ist es, als würde ich in Flammen stehen. Alles ist ein heißes Glühen und Brennen. Und zu sehen, wie konzentriert und beherrscht Simon dabei ist, hat mich schier überwältigt. Schon am nächsten Morgen hat man von den Striemen kaum noch etwas gesehen.“
Lydia schüttelte den Kopf.
„Wenn du nicht masochistisch bist, kannst du das nicht verstehen. Es lässt sich mit Worten nicht annähernd erklären. Tut mir leid.“
„Und was passiert jetzt mit euch? Wird er immer weiter gehen?“
„Es gibt noch viele Grenzen, die ich überschreiten will, aber noch nicht kann. Simon wird mich führen und an meiner Seite stehen, wenn ich in den Abgrund falle. Ich will das!“
„Muss ich mich bei ihm entschuldigen?“
Noelle lachte über Lydias Schmollmund. „Das musst du nicht, aber ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du Fred sagen würdest, dass mich niemand verprügelt. So viel bist du mir schuldig. Ich werde Simon anrufen und ihm sagen, dass wir uns ausgesprochen haben. Holst du uns noch Wein?“
Nach der Vorlage, die Simon im Club gemalt hatte, begann er das sechste Bild von Noelle. Es würde ein romantisches und weiches Bild werden. Nur die roten Linien auf ihrem Bauch ließen erahnen, wie sie für ihre Lust bezahlt hatte.
Ohne Gier in den Lenden sah er die Skizze an. Die letzten beiden Tage waren derartig erfüllend für ihn gewesen, dass er sich noch immer berauscht fühlte. Ihre Hingabe, nach dieser kurzen Zeit, hatte ihn schier überwältigt. Nachdem sie in der ersten Nacht so große Probleme gehabt hatte, ihm zu vertrauen, hatte er nicht damit gerechnet, sie so weit führen zu dürfen. Mein Gott! Als sie ihm die zehn Stockschläge gewährt hatte, wäre er am liebsten vor ihr in die Knie gegangen. Sie war so großartig, kämpferisch, stark und doch anschmiegsam und zur Demut bereit.
Als das Telefon klingelte, war er versucht, nicht ranzugehen, aber Noelle hatte versprochen, zurückzurufen.
„Hallo Simon! Ich wollte mich erkundigen, wie es dir geht.“
„Monice!“ Mist! Monice hätte er schon lange anrufen müssen. „Es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe. Ich habe mit Noelle gesprochen.“
„Und?“
„Wir haben die letzten zwei Tage im Club verbracht. Deshalb war ich nicht zu erreichen.“
„Das sind tolle Neuigkeiten, auch wenn du es mir schuldig gewesen wärst, selbst anzurufen. Du trödelst hoffentlich nicht mit deinem Auftrag?“
Simon musste lachen. „Im Gegenteil! Ich habe gerade mit dem sechsten Bild begonnen.“
„Dann will ich dich nicht länger stören. Wir sehen uns in vier Wochen. Vielleicht bringst du deine Noelle diesmal mit? Ich würde sie gerne kennenlernen.“
„Ich frage sie. Bis dann.“
Im selben Moment, da er aufgelegt hatte, klingelte es erneut. „Nell?“
„Ja! Sitzt du neben dem Telefon?“, fragte sie lachend.
„Ich habe gerade mit Monice gesprochen. Wie geht es dir?“
„Gut. Lydia hat sich beruhigt.“
„Gott sei Dank! Sag ihr, dass sie eine richtige Furie sein kann.“
„Das wird sie als Kompliment auffassen.“
„Kann sie ruhig. Ihre Angst um dich
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