Nördlich des Weltuntergangs
für den Schutz der Einödlandschaft von Kainuu stark gemacht. Nach groben Schätzungen erschienen wöchentlich hundert, in den besten Zeiten sogar zweihundert Leute, um die Kirche, das Pfarrhaus und den Direktor der Kirchenstiftung zu bestaunen. Man konnte von einer regelrechten Touristenflut sprechen, die als Folge der Berichterstattung den Ort überschwemmte. Je weiter der Frühling voranschritt und je wärmer das Wetter wurde, desto mehr Leute kamen. Autos wurden auf dem Friedhof und dem Kirchenhügel geparkt, wenn die Straßenränder voll waren, und Campinganhänger sorgten zusätzlich für Staus. Die Besucher standen herum und glotzten auf die Kirche, sie gingen auch hinein, um sich alles anzusehen, und trugen dabei Schnee und Schmutz ins Innere. Eemeli Toropainen musste viele unsinnige Fragen beantworten:
»War Ihr Großvater geisteskrank?«
»Wie viele Kirchen hat Asser Toropainen tatsächlich in seinem Leben niedergebrannt?«
»Wann stellt der Kommissar Sie vor Gericht?«
»Wie viel kostet heutzutage der Bau einer Kirche?«
»Wie rentiert sich das Kirchenbusiness in Zeiten der Rezession?«
»Glauben Sie, dass Gott Ihnen zürnt, weil Sie unerlaubt eine Kirche gebaut haben? Ist Ihnen nicht bange?«
Eemeli Toropainen bemühte sich, Verständnis für die Neugier der Menschen aufzubringen. Die Presseleute begann er zu meiden, denn was immer er auch sagte, die Berichte, die dann erschienen, waren verfälscht oder reißerisch. Die Besucher ihrerseits störten die Arbeit, sie standen überall herum, verstopften die Wege und warfen Wurstpellen auf den Friedhof.
Im Februar gerieten Eemeli Toropainen und Severi Horttanainen mit einem aufdringlichen Besucher in Streit, dem Domprobst Anselmi Leskelä aus Kuopio, einem alten, beleibten Kirchenmann. Leskelä erschien in einem schwarzen Dienstwagen zusammen mit seiner Frau und seinem Schwiegersohn. Schnurstracks trat er in die Kirche, um sie in Augenschein zu nehmen. Er musterte den Innenraum, stieg auf die Kanzel, befühlte den Altar, inspizierte die Sakristei. Die Ergebnisse seines Rundgangs notierte er in einem kleinen Heft. Als er zu seinem Auto, das hinter dem Friedhof wartete, zurückkam, musste er feststellen, dass sein dämlicher Schwiegersohn den Wagen im Schnee festgefahren hatte. Der Domprobst musste sich dazu durchringen, Eemeli Toropainen um Hilfe zu bitten.
Eemeli holte Severi Horttanainen, und gemeinsam versuchten sie, den Dienstwagen mit dem Traktor herauszuziehen. Während die beiden Helfer durch den Schnee wateten, um dann ein Seil an der Stoßstange des Autos zu befestigen, konnte sich der Domprobst nicht verkneifen, die gottlosen Zustände am Ukonjärvi zu kritisieren. Er fand es lästerlich, ohne Erlaubnis des Bischofs und ohne eigentlichen geistlichen Bedarf eine eigene private Kirche zu bauen. Severi Horttanainen zeigte auf Eemelis Fellmütze und sagte:
»Wir hier am Ukonjärvi gehören zum Pelztum Toropainen und nicht zum Bistum Kuopio.«
Der Domprobst betonte, dass üblicherweise zunächst eine Kirchgemeinde entstand, deren Aufgabe es dann war, für die Räumlichkeiten zu sorgen, in denen Gottes Wort verkündet werden konnte. Hier aber gab es eine Kirche, doch Gottes Wort wurde nicht gehört, eine Gemeinde, geschweige denn ein Pfarrer waren nicht vorhanden. Drohend fuhr er fort, dass man Toropainen gerechterweise das Kreuz, das Symbol des Glaubens, wegnehmen musste. Dass es hier hing, war in seinen Augen mehr als fragwürdig. Außerdem war die Kirchenglocke unerlaubt zu Silvester geläutet worden, wie er gehört hatte.
»Das ist teuflisches Treiben«, konstatierte der Domprobst.
Die Helfer gerieten in Wut, als sie diese Vorwürfe hörten. Eemeli Toropainen wollte es jedoch nicht zu einem Streit kommen lassen, und so versuchte er die Wogen zu glätten: »Schon möglich, dass die Stiftung die Gründung einer eigenen Gemeinde ins Auge fasst, darüber kann man ganz sachlich verhandeln«, sagte er.
Der Domprobst wurde nur noch wütender. Er erklärte, dass ein Laie nicht einfach daherkommen und eine Kirchgemeinde gründen konnte. Nur der Bischof oder das Domkapitel konnten das anregen und vorschlagen. Der Gründungsantrag musste danach der Kirchenleitung vorgelegt werden, und das war keineswegs alles, sondern, vorausgesetzt, die Kirchenleitung stimmte zu, ging der Vorgang anschließend zur Prüfung und Entscheidung an den Staatsrat. Die Gründung einer Kirchgemeinde war also nicht Sache irgendeiner privaten Stiftung, sondern darüber
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