Nördlich des Weltuntergangs
Zustimmung.
Eemeli Toropainens oberste Sorge war unterdessen freilich, wie er seine Leute durch den kommenden Winter bringen sollte. Die Lebensmittel, die nach der Begleichung der Steuerschuld übrig waren, würden nicht bis zum Frühjahr reichen. In der Siedlung würde man, genau wie überall im Land, hungern, wenn Eemeli nichts in der Sache unternähme.
Eemeli beschloss, Elche zu jagen. Bereits im Herbst hatte man auf den Ländereien der Stiftung etwa ein Dutzend der stolzen Tiere geschossen, auf deren Fleisch nun der Staat Anspruch erhob. Also mussten noch mehr Elche erlegt werden.
Naukkarinens Rekruten eigneten sich gut als Treiber. Zu Jägern bestimmte Eemeli ältere Männer mit ruhiger Hand, und das waren außer dem Feldwebel noch Severi Horttanainen, Bauer Matolampi und ein paar der Zimmerleute. Hunde gab es genug und auch Pferde für den Transport des Fleisches. Sogar der alte Matolampi spannte seinen Gaul an. Auf das Beantragen von Abschussgenehmigungen beschloss Eemeli in diesem Fall zu verzichten.
In den Wäldern der Stiftung nach Elchen zu suchen lohnte nicht mehr. So liefen die Männer auf Skiern in die Ödwälder hinter der Fernverkehrsstraße zwischen Sotkamo und Nurmes. Die Pferdeschlitten brauchten für die Strecke drei Tage, denn es lag noch wenig Schnee. In der Zeit hatten die Jäger bereits drei Exemplare erlegt, allesamt junge männliche Tiere.
Bei Portinsalo schossen sie zwei weitere männliche Tiere, dazu ein weibliches und ein Kalb. Der Gehilfe Taneli Heikura, neuerdings Rekrut, schlug vor, dass er und ein paar seiner Kameraden noch fünfzig Kilometer weiter nach Osten bis hinter die Staatsgrenze laufen könnten. Auf russischem Gebiet wimmelte es bestimmt nur so von Elchen, da dort seit Jahrzehnten keine mehr gejagt worden waren. Eemeli Toropainen erlaubte den heimlichen Abschuss im fremden Land jedoch nicht, weil der Transport des Fleisches über die lange Entfernung zu schwierig geworden wäre. Die Pferde waren schon jetzt müde, da sie das Fleisch nur von Portinsalo zum Hiidenvaara ziehen mussten.
Müde waren auch die Männer. Nachts saßen sie am Feuer und grillten. Sie aßen nur Elchfleisch und kochten sich Tee. Die Kartoffeln waren erfroren, aber zum Glück hatten die Männer auch ein paar Säcke Zwiebeln dabei, die den Frost besser vertrugen. Das größte Problem waren die Raben, die hier in Ost-Kainuu zu Hunderten am Himmel kreisten. Sie holten sich Darmstücke, flogen damit hin und her und krächzten ohrenbetäubend. Auch ein paar Steinadler tauchten auf, um an den Eingeweiden der Elche herumzuhacken, aber wenigstens verirrten sich keine Forstwächter in die abgelegene Gegend.
Nach anderthalb Wochen kehrten die Männer heim, sie hatten fünfzehn Tiere erlegt, und die Pferde hatten die Körper zum Hiidenvaara gezogen. Die rußigen und blutigen Elchjäger wankten in die Sauna des Pfarrhauses und spülten den Schmutz des anstrengenden Jagdausflugs von sich herunter. Als sie sich dann in der großen Stube des Pfarrhauses zur abschließenden gemeinsamen Mahlzeit zusammensetzten, verlangte niemand nach Fleisch. Gefragt waren Kohlrübenauflauf, Brot- und Kräutersuppe.
Die Häute der Elche wurden abgeschabt und bis zum Gerben versteckt. Am unbeleuchteten rückwärtigen Hang des Hiidenvaara wurde das Fleisch haltbar gemacht. Zunächst besorgte man aus Oulu eine Verschließmaschine und mehrere tausend Blechdosen für je einen Liter Inhalt. Die Frauen füllten die Dosen mit Fleischstücken und Gewürzen, sie lernten diese Arbeit schnell. Dann wurden die Konserven mit der Maschine luftdicht verschlossen und in großen Kesseln gegart. Sie bekamen kein Etikett, da die Elche heimlich erlegt worden waren.
Mehr als zweitausend Kilo Konservenfleisch entstanden auf diese Weise. Die besten Stücke, zum Beispiel die Keulen, wurden für den Eigenbedarf eingesalzen. Die Filets wurden aufgehängt und für die Feiertage mariniert.
Damit war die drohende winterliche Hungersnot abgewendet. Man hatte Fleisch mit Kräutern in Hülle und Fülle. Der Kommissar wurde informiert, dass er die restlichen Steuerschulden abholen könne.
Es dauerte nicht lange, da erschien Kari Reinikainen, der Kommissar von Sotkamo, auch schon. Mit ihm kam Bezirkssteuerinspektor Uolevi Siikala, der seine Anwesenheit damit begründete, dass er über die Bezahlung der letzten Steuerrate eine Quittung ausstellen müsse. Der eigentliche Grund war jedoch der barbarische Hunger, der dem Inspektor zu Hause in Oulu zu schaffen
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