Nördlich des Weltuntergangs
flirrenden Hitze zählten die jungen Männer die Tage bis zum Ende ihrer Ausbildung. Besonders gefürchtet waren bei ihnen die Fahrradmärsche, die Naukkarinen gern veranstaltete und die sich manchmal bis in die Stadt Kajaani ausdehnten; die Jäger mussten dann militärisch geordnet hintereinander durch die Hauptstraße fahren, in Tarnanzügen und mit geschultertem Gewehr.
Solche Kraftdemonstrationen gefielen durchaus nicht allen Einwohnern der Stadt. Viele wandten sich an die örtliche Polizei und verlangten, dass die Vorbeimärsche bewaffneter Privattruppen verboten werden sollten. Die Polizisten kannten jedoch den alten widerspenstigen Naukkarinen, ihren Amtsbruder aus Sotkamo, und verzichteten darauf, ihn zu bedrängen. Sie sagten ihm nur, dass seine Partisanen ihre Paraden lieber am Ukonjärvi und nicht im Zentrum der Provinz veranstalten sollten.
Anfang Februar des folgenden Jahres führte Feldwebel Naukkarinen mit seinen Jägern ein einwöchiges Manöver durch, und zwar in Form einer Patrouille durch die Wälder an der Ostgrenze des Landes. Die Männer liefen in Schneeanzügen Tag und Nacht durch die Gegend nördlich von Valtimo und bis hinein in die Sümpfe von Kuhmo. Unterwegs erlegten sie einen Elch als Wegzehrung. Das warme Blut dampfte im Frost, die Jäger tranken es aus Kochgeschirren. In den Nächten bibberten sie in offenen Schutzhütten, vor denen kleine Feuer brannten. Sie bewegten sich so unauffällig im Gelände, dass nichts über das Unternehmen nach außen bekannt wurde. Zu Ausbildungszwecken sprengten sie in der Gegend um Kuhmo eine alte morsche Waldarbeiterunterkunft. Auch das hatte keinerlei Folgen.
Zum Abschluss ihrer Ausbildung liefen die Jäger am Ukonjärvi auf Skiern eine Parade. Eemeli Toropainen hatte zu dem Ereignis ein paar querköpfige Ehrengäste eingeladen: Domprobst Anselmi Leskelä vom Bistum Kuopio, Stadtbaudirektor Aimo Räyhänsalo aus Sotkamo sowie Kommissar Kari Reinikainen, alle mit Gattinnen. Die in Decken gehüllten Gäste nahmen auf der Außenveranda des Pfarrhauses Platz. Jeder bekam einen Becher heißen, mit Kräutern gewürzten Glög in die Hand gedrückt.
Die Jäger kamen über den zugefrorenen See. Auf der Höhe der Ehrengäste brüllten sie einen infernalischen Kampfruf und wandten sich dann zum Sturm gegen den gedachten Feind. Sie sausten heftig schießend über das Eis, überquerten die Flussmündung und verschwanden hinter dem Zaun des Friedhofes.
Bald kam die Gruppe in geschlossener Ordnung wieder zurück. Feldwebel Naukkarinen trug einen schimmernd weißen Schneeanzug, dazu eine Pelzmütze aus weißem Lammfell mit einer großen Kokarde. Eemeli Toropainen nahm die Parade ab.
Nach dem Vorbeimarsch gab es für die Gäste Erbsensuppe aus einem großen Kessel, der draußen aufgestellt worden war. Während der Mahlzeit brachte Eemeli Toropainen das Problem der Baugenehmigung und die Unstimmigkeiten um die Einweihung der Kirche zur Sprache. Er erwähnte auch die Kirchensteuer und die Zwangsversteigerung, die ein Jahr zuvor angeordnet worden war. Eine Salve, die auf dem See abgegeben wurde, verlieh seinen Worten einen gewissen Nachdruck. Die Jäger schossen dort ihre Gewehre ein und feuerten in die Uferfelsen. Eemeli Toropainen blickte beifällig auf das Eis. In zehn Jahren würde man am Ukonjärvi bereits hundert ausgebildete Partisanen haben. Feldwebel Naukkarinen hatte bereits jetzt die Anschaffung eines leichten Granatwerfers und eines Maschinengewehrs gefordert. Das alles erzählte Eemeli seinen Gästen, und er fügte hinzu, dass er im Übrigen zur Zwangsversteigerung der Kirche bereit sei.
Im Frühjahr, bald nach der Parade, erschien am Ukonjärvi überraschender Besuch, Bauamtsleiter Aimo Räyhänsalo aus Sotkamo, derselbe Mann, der einst wegen des Kirchenbaus die Polizei eingeschaltet hatte. Er bedankte sich für die Bewirtung während der Parade. Auch seine Frau lasse grüßen.
Diesmal kam der Amtsleiter mit friedlichen Absichten. Er hatte sich aus eigenem Antrieb der Baugenehmigung angenommen, hatte in seiner Freizeit einen Bebauungsplan der Siedlung am Ukonjärvi angefertigt, in dem die bereits fertig gestellten Gebäude, die Kirche, das Pfarrhaus und das Nebendorf Grünberg eingezeichnet waren, in dem aber auch ein eventueller künftiger Baubestand berücksichtigt worden war. Diese Unterlagen hatte er rasch zur Bestätigung durch die einzelnen Instanzen geschickt, und schließlich waren sie vom Umweltministerium abgesegnet worden. Das Ergebnis war,
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