Nördlich des Weltuntergangs
machte. Man hatte ihm schon seit mehreren Monaten sein Beamtengehalt nicht mehr bezahlt, außerdem hätte er sich sowieso kein Fleisch kaufen können, da es in den Läden der Stadt längst keines mehr gab.
Der Kommissar und der Steuerinspektor machten unter Horttanainens Führung eine schnelle Inspektion am Hiidenvaara und inventarisierten die letzten Posten Lebensmittel. Sie baten Severi, ein paar Fleischdosen zu öffnen, damit sie prüfen konnten, ob die staatliche Beschaffungszentrale die Qualität akzeptieren würde. Der anregende Geruch des mit Kräutern gewürzten Elchfleisches ließ beiden Beamten das Wasser im Munde zusammenlaufen. Sie stopften sich so gierig damit voll, dass sie abends in ihrem Quartier bei den Matolampis keinen Appetit mehr aufs Essen verspürten.
Zur dunkelsten Nachtzeit erhob sich Steuerinspektor Siikala von seinem Lager, zog sich warm an, ergriff einen geräumigen Rucksack und fuhr mit dem Auto des Kommissars zum Hiidenvaara. Da das Eis jetzt zu Beginn des Winters noch nicht sehr stark war, ließ er das Auto am Ufer stehen und stapfte zu Fuß über den See. Er schlich zum Vorratskeller, öffnete mit dem Dietrich die Tür und lud sich den Rucksack mit den begehrten Konserven voll. Die Hunde vom Hiidenvaara schlugen nicht an, sie hatten zu viele Elchknochen benagt, waren faul geworden und lagen mit prallen Bäuchen in ihren Hütten. So konnte der Steuerinspektor in aller Ruhe seine Beute über den See tragen und in den Kofferraum des Autos packen.
Bei der zweiten Tour lud er sich mehr als zwanzig Dosen Fleisch in den Rucksack. Was sollte der Staat schon mit all den Konserven anfangen, dachte er. Dies war lediglich Messverlust, auf ein paar mehr oder weniger kam es nicht an, und auch ein Beamter musste schließlich zu seinem Gehalt kommen. Dann, im Dunkel der Nacht, wich der fleischgierige Siikala versehentlich von seiner Route ab. Er geriet auf die Einmündung des Flusses, wo das Eis dünner war als auf dem See. Es brach unter der schweren Last, und der bedauernswerte Steuerinspektor versank im eisigen Wasser.
Am Morgen leitete der Kommissar eine polizeiliche Untersuchung ein. Aus den Spuren im Schnee konnte er schließen, dass der Steuerinspektor in den Tiefen des Hiidenjärvi versunken war. Der Kommissar wandte sich an Eemeli Toropainen, er möge helfen, den Inspektor herauszufischen.
So wurde unter Horttanainens Leitung um die gebrochene Stelle ein Zuggarn gezogen. Das war schwere Arbeit, denn ein Pferd konnte man wegen des zu schwachen Eises nicht einsetzen. Das Garn wurde unter das Eis gedrückt und dann mit vereinten Kräften wieder heraufgeholt.
Gleich beim ersten Mal war der Fang reichlich, viel fehlte nicht, und das Garn wäre gerissen: zweihundert Kilo fette kleine Maränen, einen fünf Kilo schweren Hecht sowie einen achtzig Kilo schweren Steuerinspektor, der in seinem Rucksack zwanzig Dosen Elchfleisch mit sich trug.
17
Im Februar begann die militärische Ausbildung. Für die Rekruten waren Schneeanzüge und Skier angeschafft worden. Als Kaserne diente ein langes Blockhaus am Hiidenvaara, in dem an einem Ende die Soldaten untergebracht waren und sich am anderen Ende das Ausrüstungslager und die Wohnung des Feldwebels befanden. Der Schießplatz lag hinter dem Berg auf einer großen Waldlichtung, die entstanden war, als die Stämme für den Kirchenbau gefällt worden waren. Während der ersten Wochen wurde geschlossene Ordnung, Formation auf Skiern, geübt, eine schweißtreibende und anstrengende Angelegenheit. Die Rekruten fluchten heimlich über ihren strengen Ausbilder, aber sie lernten, im Gleichschritt zu marschieren und Soldatenlieder zu singen. Vor allem gewöhnten sie sich an militärische Disziplin und Ordnung.
Später ging es an den Schießunterricht, der offiziell als Training für die Elchprüfung bezeichnet wurde. Das Ziel war, dass jeder Rekrut die Schießprüfung bestand. Als das erfolgt war, wurden auf Rechnung der Stiftung zehn Elchgewehre und die erforderliche Menge Patronen gekauft. Naukkarinens Partisanenabteilung war also jetzt bewaffnet. Die Ausbildung bekam immer militärischere Züge. Es gab Schieß- und Kampfübungen und die Soldaten mussten im Wald Streife laufen.
Der folgende Sommer war der heißeste des Jahrhunderts. Es hieß allgemein, dass dies eine Folge des Treibhauseffekts sei. Die Rekruten, die inzwischen Jäger genannt wurden, hoben, in der Hitze keuchend, Schützengräben aus. Schweißtreibende Geländemärsche folgten. In der
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