Nördlich des Weltuntergangs
Löytölampi-See verlegt.
In der Schule unterrichteten zwei Grüne, ein Mann und eine Frau. Die Pastorin betrieb weiter ihre Sonntagsschule und lehrte außerdem in der Oberstufe Religion und Ethik. Die Kinder wurden nach den alten, bewährten Prinzipien eines naturnahen Lebens erzogen. Gleich im ersten Jahr kamen fünfzig Kinder in die Schule. Viele der Kleinen stammten aus Grünberg, die anderen aus Ukonjärvi und Kalmonmäki sowie aus zwei neuen Dörfern namens Rajalampi und Sepänkylä.
In dieser Zeit begannen die Einwohner, Ukonjärvi als eigenständige Gemeinde zu betrachten und zu bezeichnen. Zwar hatte der finnische Staat die neue, in der Wildnis entstandene Kommune noch nicht anerkannt, das jedoch kümmerte niemanden. Die Stiftung war ohnehin nicht daran interessiert, ihren Status offiziell zu ändern, denn das hätte jede Menge öffentlicher Ausgaben und diverse Steuern mit sich gebracht.
Abends wurden die Räume der Schule für die Freizeitbeschäftigung der Einwohner genutzt: Im Werkraum hobelten die Männer Skier und Fassstäbe, im Turnsaal standen Webstühle, an denen die Frauen Teppiche webten. Einmal in der Woche traf sich der gemischte Chor, ebenso der Färbzirkel, den die Grünen betrieben. Die Monatsversammlungen der Jagdgesellschaft wurden ebenfalls in der Schule abgehalten. Darüber hinaus gab es oft Abendveranstaltungen und Basare, zu denen sogar Leute von außerhalb kamen, und auch die Jahresversammlungen der Asser-Toropainen-Kirchenstiftung wurden aus der Wohnstube des Pfarrhauses in die Schule verlegt, wo wesentlich mehr Platz war.
Im Frühjahr 2006 wurden im Rahmen eines Schulabschlussfestes die Zeugnisse für die erste Klasse ausgegeben. Man sang ein alt vertrautes kirchliches Sommerlied unter Leitung des inzwischen hochbetagten Kantors Severi Horttanainen. Die Kinder führten rührend ungeschickt ein Schauspiel mit dem Titel Die Trolle und Elfen vom Hiidenvaara auf der Bärenjagd auf. Anschließend fand die Jahresversammlung der Stiftung statt.
Eemeli Toropainen leitete die Stiftung offiziell weiterhin allein, obwohl er in jedem Dorf ein Komitee gegründet hatte, das sich um die örtlichen Belange kümmerte. Die jeweiligen Einwohner durften die Mitglieder der Komitees frei wählen. Die Vorsitzenden waren so etwas wie Dorfchefs, mit denen Eemeli die laufenden Angelegenheiten der gesamten Gemeinde entschied. Einmal im Jahr traf man sich zu einer Versammlung, auf der jeder Einwohner der Gemeinde das Recht hatte zu reden. Die Verwaltungsstruktur war einfach und funktionierte wohl gerade deshalb problemlos.
Nach Eröffnung der Versammlung ließ Eemeli Toropainen den ehemaligen Gehilfen Taneli Heikura, der mittlerweile knapp über dreißig war, zum Kommissar der Gemeinde ausrufen. Zum Arzt bestimmte er den ehemaligen Taxifahrer und Dichter Seppo Sorjonen, 45, der sich nach der Jahrtausendwende in Grünberg angesiedelt und der, wie allgemein bekannt war, eine mündliche Prüfung als Doktor abgelegt hatte.
Die zur Feldpröbstin beförderte Tuirevi Hillikainen präsentierte der Versammlung die aktuellen Zahlen aus der Meldeliste: Die Einwohnerzahl der Gemeinde betrug 3511. Auf dem Friedhof lagen 314 Tote, davon 11 Russen, 2 Zigeuner sowie 1 Somali.
Diesmal war die Versammlung besonders bedeutsam. Der Stiftung waren zahlreiche testamentarische Schenkungen gemacht worden, und auch sonst verfügte sie über reichliche finanzielle Mittel. Am Ukonjärvi hatten sich viele Leute aus der Umgebung niedergelassen, weil die Stiftung ihnen auch in schwierigen Zeiten ihre Existenz sichern konnte, und als sie gekommen waren, hatten sie ihr Vermögen mitgebracht. Da die finanzielle Situation also zufrieden stellend war, hatte Eemeli Toropainen beschlossen, weitere ausgedehnte Ländereien hinzuzukaufen, wovon er jetzt der Versammlung berichtete. Ihm waren mehrere Bauernhöfe und Grundstücke angeboten worden, und so hatte er die Kaufverträge für insgesamt sechstausendzweihundert Hektar Land sowie tausendfünfhundert Hektar Fluss- und Seengebiete aushandeln können.
Die zugekauften Gebiete grenzten passenderweise unmittelbar an die vorhandene Fläche. Die neue Gemeindegrenze verlief von Kalmonmäki in fast gerader Linie nach Süden, und zwar entlang der Straße nach Rautavaara. Dann führte sie nach Westen, wo sie auf den achtzehn Kilometer langen Laakajärvi-See stieß, nämlich bei der so genannten Venajänniemi, der Russenhalbinsel. Laut Überlieferung rührte der Name dieser Halbinsel daher, dass zur
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