Nördlich des Weltuntergangs
gereinigt, wobei man feststellte, dass er immer noch völlig wasserdicht war. Eemeli Toropainen fand, dass er sich gut als Badewanne für das Kinderzimmer eigne, aber Frau Taina Korolainen bezeichnete die Idee als makaber. Sie wollte nicht in einem Sarg baden, geschweige denn ein unschuldiges Kind darin waschen.
Um etwas gegen die Leere auf dem Friedhof zu tun, verbreitete man die Nachricht, dass am Ukonjärvi arme Leute kostenlos beerdigt würden. Die Bestattungen würden im allgemein üblichen Rahmen vorgenommen und die Gräber mit Pietät gepflegt. Bald kam eine Mitteilung aus Joensuu, dass dort mehrere bettelarme Leute verstorben seien. Das heruntergekommene Altersheim der Stadt bot die Toten an und versprach, für ihren Transport zu bezahlen, wenn sie an Ort und Stelle abgeholt würden. Zufällig hatte Severi Horttanainen zu diesem Zeitpunkt etwas in Joensuu zu erledigen – er hatte versprochen, für die Weberinnen vom Grünberg Kettengarn abzuholen, das sie sich bestellt hatten, weil sie es für die spät winterliche Websaison benötigten. So wurde denn der Zinksarg auf den Schlitten gehievt und zum Bahnhof Valtimo geschafft, wo er in einen Güterwagen verladen wurde. Severi Horttanainen blieb eine Woche weg. Bei seiner Rückkehr brachte er außer zwei Rollen Kettengarn auch drei Leichen mit, von denen eine im Zinksarg lag, da sie schon bei Eintreten des Todes in ziemlich schlechtem Zustand gewesen war. Die beiden anderen waren in Holzkisten gereist.
Am nächsten Sonntag fanden in der Kirche drei Totenmessen statt. Daran nahmen viele Leute teil, allerdings kein einziger trauernder Angehöriger. Wie dem auch sei, die Orgel spielte, die Pastorin predigte, die Glocke läutete und die Andachtsteilnehmer legten Trockenblumensträuße und duftende Fichtenkränze auf die frischen Gräber.
Die Bestattungstätigkeit ging weiter. Als Taneli Heikura aus Kajaani Gewehrpatronen für die Partisanenkompanie holte, brachte er bei seiner Rückkehr die nächsten beiden Toten mit. Aus Kemijärvi wurde ein weiterer mit einer Postkiste geschickt. Man hatte sie auf dem Dach des Linienbusses befestigt, und der Tote wies kaum Veränderungen auf, da strenger Frost herrschte. All diese armen Leute wurden in andachtsvoller Zeremonie auf dem neuen Friedhof vom Ukonjärvi in die Erde gebettet.
Eines Morgens stellte man fest, dass die russischen Flüchtlinge verschwunden waren. Sie hatten sich am Hiidenvaara Skier und zwei Lappenschlitten geklaut und sich klammheimlich gen Osten davongemacht. Auch beträchtliche Mengen Lebensmittel waren verschwunden. Der Schneesturm verdeckte ihre Spuren, sodass die Soldaten, die hinter ihnen hergeschickt wurden, unverrichteter Dinge zurückkehrten.
Größere Suchaktionen wurden nicht gestartet. Eigentlich war man froh, dass die ungebetenen Gäste von allein verschwunden waren. Besonders den beiden ehemaligen KGB-Agenten trauerte niemand nach.
Zur Überraschung aller tauchten die Russen nach zwei Wochen plötzlich wieder auf, sie platzten aufgeregt und erhitzt ins Pfarrhaus. Oberst Arkadi Lebedew verkündete, dass er mit seinen Kameraden hinter der Grenze erfolgreich Tote gesammelt habe. Zwei Wochen seien sie unterwegs gewesen, und jetzt befinde sich ihre Ausbeute bereits diesseits der Grenze. Zehn Leichen! In gutem Zustand! Jetzt wollten sie sich nur das Pferd leihen, um die Fracht zum Ukonjärvi zu ziehen.
»In Russland kann man so viele verstorbene Seelen kriegen, wie man nur will. Und es kostet nicht viel!«, schwärmte der Oberst glücklich.
Er bot der Stiftung diesen Musterposten sozusagen gratis an, lediglich für die Verpflegung der Überbringer musste gesorgt werden. In diesen ersten Exemplaren sahen die Russen eine Art Entschädigung für die Gastfreundschaft, die ihnen am Ukonjärvi zuteil geworden war. Über den Preis für die künftigen Lieferungen würde man sich bestimmt einig. In diesen Zeiten durfte man von seinem Geschäftspartner nicht zu viel für die Ware verlangen, erklärte der Oberst. Er sah in dem Leichenhandel eine winzig kleine Flamme, einen irrlichternen Hoffnungsfunken, vielleicht das lang ersehnte Zeichen für das Wiederaufleben des Handels zwischen Russland und Finnland. Dieser lag seit zehn Jahren lahm, doch jetzt schimmerte am Horizont ein Streifen Hoffnung auf.
Der Oberst deutete an, dass vielleicht ein Viertelfass gesalzener kleiner Maränen oder eine Elchkeule der angemessene Preis pro Leiche wäre.
Die Toten wurden mit dem Pferdewagen von der Grenze abgeholt.
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