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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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nicht mehr ganz jung, man konnte seine Organe unbesorgt steinreichen Grei­ sen einsetzen. Denn eine Niere, die einem sehr jungen Menschen entnommen wurde, lebte sich nicht gut in einem Körper ein, der beispielsweise sechzig Jahre älter als das Organ selbst war. Das war ähnlich wie in einer Ehe, in der ein Partner zwanzig und der andere fast achtzig Jahre alt war. Eine solche Verbindung war im Allgemeinen zum Scheitern verurteilt, da der jüngere Partner den älteren irgendwann verließ.
    Während dieser makaberen Gespräche kam Eemeli Toropainen zu sich. Er erkannte, dass er in seinem gemieteten Fahrzeug lag. Vier Gestalten machten sich an ihm zu schaffen und betasteten seine Organe. Sie unterhielten sich, sagten, dass alles in gutem Zustand sei, was Eemeli in dem Moment allerdings keine große Freude machte.
    Die Männer verließen den Laderaum und schlugen die Türen zu. Das Auto fuhr los, stoppte aber nach kurzer Fahrt wieder. Eemeli hörte, wie eine Tür geöffnet wurde, dann fuhr das Auto in irgendeine Halle. Trotz seines benebelten Zustands kämpfte er sich hoch und erkannte bei einem Blick durch die Scheiben, dass sich das Auto in einer Art Fabrik befand. Förderbänder und blank gescheuerte Stahlkessel standen herum, offenbar han­ delte es sich um eine Molkerei. Eemeli sagte sich, dass man ihn wahrscheinlich töten und dann in Einzelteilen wegtransportieren wollte. Der Gedanke entsetzte ihn. In dieses Schicksal wollte er sich nicht fügen. Zum Glück lagen in seiner Reichweite jede Menge Orgelpfeifen, kleine und große.
    Eemeli Toropainen packte mit jeder Hand eine Orgel­ pfeife, und als die Türen des Laderaums geöffnet wur­ den, schmetterte er dem ersten Mann, der auftauchte, eine Orgelpfeife auf den Kopf. Ein schriller Ton war zu hören, und der Mann fiel um. Eemeli wählte größere Pfeifen mit tieferen Tönen und sprang aus dem Auto, um seine Entführer zu verprügeln. Es entstand eine wüste Rauferei, die Orgelpfeifen dröhnten, die Amerikaner schlossen Bekanntschaft mit der harten Seite eines Kircheninstruments und der beim Umgang mit Balken trainierten Schlagkraft eines finnischen Kirchenbauers. Als es einem der Männer gelang, Eemeli die Orgelpfeife aus der Hand zu winden, rannte dieser zum Auto und kam mit zwei großen Basspfeifen zurück.
    Eemeli drängte seine Widersacher in den Produkti­ onssaal der Molkerei, wo er sie halb totschlug. Einen der Ärzte stieß er in einen großen Buttermilchkessel, und er wollte gerade dem Juristen ein ganzes Butterdrittel auf den Kopf dreschen, als sich die Türen des Gebäudes öffneten und ein Rudel dänischer Polizisten herein­ stürmte. Der Wirt des Gasthauses hatte sie alarmiert.
    Eemeli Toropainen wurde verhaftet und die Amerika­ ner, nachdem man sie aus den Bottichen gefischt und vom Fliesenfußboden aufgelesen hatte, auf Tragen gelegt und in Krankenwagen verfrachtet. Sie gaben kaum noch Lebenszeichen von sich. Einer von ihnen hatte am gan-zen Oberkörper Butter, ein anderer war von oben bis unten mit Kefir beschmiert. In der ganzen Halle lagen zerbeulte und verdrehte Orgelpfeifen herum.
    Es folgte ein Gerichtsprozess, in dem Eemeli Toropai­ nen wegen schwerer Körperverletzung in drei Fällen und fahrlässiger Tötung in einem Fall zu vier Jahren Haft verurteilt wurde. Es ergab sich nämlich so unglücklich, dass einer der Amerikaner bald nach seiner Rückkehr in die USA an den Folgen seiner Verletzungen starb.
    Der Prozess dauerte zwei Monate, und während dieser Zeit saß Eemeli im Untersuchungsgefängnis von Ǻ rhus. Nach der Urteilsverkündung wurde er ins Bezirksge­ fängnis verlegt, das sich ebenfalls in dieser Stadt be­ fand. Während des Prozesses versuchte Eemeli, die Amerikaner wegen Menschenhandels und illegaler Or­ gantransplantationen anzuzeigen, doch konnte er keine glaubhaften Beweise für seine Behauptungen vorlegen. Außerdem waren diese Handlungen nicht in Dänemark, sondern in Mexiko und den USA vorgenommen worden, sodass die dänische Justiz keine Handhabe hatte, die Verbrechen zu ahnden. Die Behörden in Mexiko und den USA wurden zwar über Toropainens Aussage infor­ miert, aber weitere Schritte wurden nicht eingeleitet. Die Behauptungen des Beschuldigten wurden insofern vom Gericht als mildernder Umstand anerkannt, als man ihn nicht wegen Totschlags, sondern fahrlässiger Tötung verurteilte. So schmachtete der Stiftungsdirektor drei lange Jahre im Bezirksgefängnis von Ǻ rhus in Däne­ mark. Obwohl das Urteil über

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