Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
auf dem Deckel einer Orgelkiste neben der Brücke, die über den Pöllösenpuro führte, und betrach­ tete den blauschwarzen Fichtenwald zu beiden Seiten des Baches. Das Wetter war mild, ein sanfter Wind bewegte die Fichten und schüttelte feuchte Schnee­ klumpen von den Zweigen; sie versanken tief in der unberührten Schneefläche, ein jeder Klumpen hinterließ ein Loch in seiner Größe. Eemeli fühlte sich ungeheuer ruhig und frei. Er war zwar unterwegs, aber nichts trieb ihn.
    Eine Woche zuvor war er aus dem Gefängnis von Ǻ rhus entlassen worden. Er hatte dafür gesorgt, dass die Orgelkisten auf ein Schiff kamen, war mit ihnen gereist und hatte sie in Oulu ausladen lassen. Nun hatte ein Fernlaster ihn und die Kisten hier an der Brücke abgesetzt. Die geräumte Straße endete an dieser Stelle, der Laster war nicht weitergekommen. Finnland verfügte nicht mehr über die finanziellen Mittel, Nebenstraßen vom Schnee zu räumen. Nur die Fernverkehrsstraßen wurden freigehalten, doch auch dafür reichte das Salz nicht, der Straßenmeister konnte froh sein, wenn er genug für seine Suppe hatte. Der Winter hatte eine Rekordarbeitslosigkeit gebracht. Eine Million Menschen waren betroffen. Das Arbeitslosengeld konnte nicht in der vollen Höhe ausbezahlt werden. Bei der Bezahlung der Beamten waren hohe Rückstände aufgelaufen. Gerüchte besagten, dass bereits Menschen verhungert waren. In Loimaa waren angeblich zwei Kinder gefunden worden, die an Unterernährung gestorben waren, und in manchen Altersheimen waren die Bewohner täglich vom Hungertod bedroht.
    In dem Moment waren Schlittenglöckchen zu hören. Ein brauner Wallach kam um die Wegbiegung. Im Schlitten dahinter stand der Gehilfe Taneli Heikura.
    »Na, wie war es in Dänemarks Festungen?« Für einen Kutscher trug Taneli eine merkwürdige
    Tracht. Er hatte einen langen schwarzen Umhang an, der am Saum und an den Ärmeln mit gelber Borte ver­ ziert war. Der Kragen war mit Samt eingefasst, und auf den Schultern hatte er Epauletten. Er sah aus wie eine Mischung aus Lakai und Mönch. Unwillig musterte Eemeli den Burschen. Die Jugendmode schien sich in den vergangenen drei Jahren enorm verändert zu haben.
    Die beiden Männer machten sich daran, die Orgelkis­ ten auf den Schlitten zu laden. Der Gehilfe erzählte von Ukonjärvi und Hiidenvaara. Ungewöhnliches war nicht passiert. Die Leute hatten Geldschwierigkeiten gehabt. Es war niemand da, der Löhne zahlte. Severi Horttanai­ nen war wegen gewisser Unstimmigkeiten nach Kal­ monmäki gezogen. Eemeli hatte zwei Söhne bekommen. Zwei Mütter gab es auch. Der zweite Sohn war im Herbst geboren worden, der erste bereits im Frühjahr. Sie hatten noch keine Namen, man wartete auf Eemelis Meinung in dieser Frage.
    »Warum hat man mir nichts davon mitgeteilt?«, fragte Eemeli Toropainen verblüfft.
    »Die Frauen wollten dich überraschen, wenn du aus dem Knast kommst. Du hättest dir sonst dort in Däne­ mark vielleicht nur Gedanken gemacht. Es hat uns verdammt am Geld gefehlt. Wir haben Kartoffeln geges­ sen, außerdem dieses Kräuterzeug von den Grünen. Ich habe sechs Kilo abgenommen. Schöne Scheiße.«
    Eemeli war Vater geworden, und das zwei Mal! Er musste sich erst mal fassen. Während sie mit dem beladenen Schlitten über die verschneite Straße nach Ukonjärvi fuhren, dachte Eemeli über die Sache nach. Letzten Endes war es gut, dass er Vater zweier Kinder war. Er musste sich nur erst an den Gedanken gewöh­ nen. Dass seine Ex-Frau sich die Mühe noch gemacht hatte mit vierzig Jahren! Taina Korolainen war allerdings auch nicht jünger.
    Als sie den Kirchenhügel erreichten, sah Eemeli, dass die Kirche immer noch nicht angestrichen war, sie sah mittlerweile grau und alltäglich aus. Gegenüber, am anderen Ufer, standen, ebenfalls ohne Anstrich, das Pfarrhaus und die Sauna. Eemeli fragte den Gehilfen, warum die Arbeit nicht erledigt worden war.
    »Wir wollten das ja machen und vieles andere auch, aber du warst im Knast…, und dann ist diese Diplom-Benimmse, oder wie sie sich nun schimpft, hier aufge­ taucht. Sie hat Grüße von dir bestellt und sich im Pfarr­ haus einquartiert. Und dann hat sie Benimmkurse abgehalten, erst am Hiidenvaara und dann in der Kir­ che. Sie hat für uns lange Kutten nähen lassen, ich habe diesen Schleppenmantel gekriegt. Ich fand es bescheuert, in dem Ding rumzulaufen, aber sie hat mich dazu gezwungen. Sie hat gesagt, wenn man ihr nicht gehorcht, greift sie zu härteren

Weitere Kostenlose Bücher