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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Sektenanhängern. Die Widerspens­ tigsten mussten regelrecht hinausgeprügelt werden. Hauptpriesterin Soile-Helinä Tussurainen wurde in den Schlitten gesetzt und zur Brücke am Pöllösenpuro ge­ bracht, wo es ihr gelang, ihren Wächtern zu entkom­ men. Sie rannte zum Waldrand und kletterte auf eine hohe Kiefer. Als sie den Wipfel erreicht hatte, veranstal­ tete sie eine eindrucksvolle Demonstration: Sie entledig­ te sich sämtlicher Kleidungsstücke und warf sie nach unten. Zum Glück herrschte kein strenger Frost. Man versuchte vergeblich, sie zum Herunterkommen zu bewegen. Erst als Severi Horttanainen die Motorsäge holte und Anstalten machte, die Kiefer zu fällen, stieg die Diplom-Benimmse herunter. Man steckte sie in eine Kutte und setzte sie zusammen mit ihren engsten Ge­ sinnungsgenossen in ein Taxi. Die Flut von wüsten Drohungen und Beschimpfungen, die sie ausstieß, endete erst, als Severi Horttanainen die Tür hinter ihr zuknallte. Der Gehilfe Taneli Heikura blieb auf der Brü­ cke, um aufzupassen, dass das Sektenvolk nicht zu­ rückkehrte. Seine Lakaienuniform hatte er wieder gegen seine frühere gewohnte Kleidung eingetauscht.
    Eemeli kehrte ins Pfarrhaus zurück. Er wies seine Leute an, die langen Mäntel und Kutten abzulegen und wieder zur normalen Kleiderordnung zurückzukehren. Die geistliche Literatur sollte auf den Dachboden ge­ schafft werden. Gleich am nächsten Tag würde man mit der Arbeit beginnen, und genau diese Botschaft sollte auch den Grünen am Hiidenvaara überbracht werden.
    »Jetzt ist Schluss mit Faulenzen.«
    14
    Eemeli beklagte gegenüber Severi Horttanainen, dass gleich alles den Bach runterging, wenn man mal drei Jahre nicht vor Ort war. Aber jetzt würde schleunigst die Ordnung wiederhergestellt. Drei Jahre lang hatten sich alle ausgeruht, jetzt hieß es, die Ärmel hochkrempeln. Man musste die Kirche und das Pfarrhaus anstreichen und weitere Häuser bauen. Die Leute wohnten inzwi­ schen einfach zu beengt.
    »Aber woher willst du das Geld nehmen?«, fragte Seve­ ri Horttanainen.
    Eemeli verriet ihm, dass die Stiftung durchaus nicht mittellos sei. Die Diplom-Benimmse sei nicht an das Geld gekommen, da niemand ohne seine Vollmacht das Bankkonto plündern durfte.
    Eemeli berichtete ferner, dass er den Scheck der Ame­ rikaner über einhunderttausend Dollar habe retten können; er habe ihn bereits in Dänemark eingelöst und das Geld auf das Konto der Stiftung überwiesen, wo es sicher aufgehoben sei.
    »Geld ist da, keine Sorge. Wir könnten es uns sogar leisten, eine eigene kleine Landgemeinde zu gründen. Wir sind die wohlhabendste Siedlung in der Kommune Sotkamo.«
    Offensichtlich war es in der Gegend um Ukonjärvi in finanzieller Hinsicht gut bestellt. In der übrigen Welt sah das ganz anders aus. Die Währung der EU war schon vor einiger Zeit verfallen, ausgelöst durch die Rezession in Deutschland. Der Yen war gefolgt, ebenso die kleine­ ren Währungen. Außergewöhnliche ökonomische Schutzmechanismen waren entwickelt worden, zum Beispiel konnten private Bankkonten an die Goldwäh­ rung gekoppelt werden, was zwar den Verzicht auf Zin­ sen, dafür aber garantierten Inflationsschutz bedeutete. Die Unglücklichen, deren Geld nicht durch die Goldwäh­ rung gesichert war, waren inzwischen verarmt: Über siebzig Prozent des Geldwertes hatte sich verflüchtigt.
    In Europa und in der übrigen Welt zogen Millionen von mittel- und arbeitslosen Menschen umher, Finnland befand sich nicht allein in der Krise. Zu allem Überfluss wurden in den Südteilen Russlands zahlreiche Kriege
    geführt, und das schon seit Jahren. Presse, Rundfunk und Fernsehen brachten eine Kriegsmeldung nach der anderen. Obwohl es angeblich keine offizielle Zensur gab, wurde vieles in den Medien verharmlost und be­ mäntelt, damit im Volk keine Unruhe entstand. Es kursierten Gerüchte, dass in Südrussland Hunderttau­ sende gefallen seien, weit mehr als seinerzeit im jugos­ lawischen Partisanenkrieg.
    Aber am Ukonjärvi ließ man sich nicht beirren. Die Zimmerleute, die während Eemelis Haft den Ort verlas­ sen hatten, wurden umgehend zurückgeholt. Im Mai war wieder ein halbes Dutzend Fachkräfte beisammen. Eemeli ernannte Severi Horttanainen zum Vorarbeiter.
    Zunächst machte man sich daran, Ocker für den An­ strich der Kirche zu kochen. Horttanainen kannte das Rezept: Eisenvitriol, Heringssalzwasser, grobes Roggen­ mehl, kochendes Wasser. Die Zutaten wurden neben der Kirche in einem

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