Nördlich von Nirgendwo – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
Gesicht sehen?«
»Oh, das machen wir noch, McKnight, das machen wir ganz definitiv.«
»Warum nicht heute nacht? Warum nicht jetzt gleich?«
»Geduld, wie? Ihr Amerikaner, immer dasselbe. Was Sie machen müssen, ist das Geld aufbringen und zu O’Dells Kneipe kommen. Ich rufe Sie da morgen früh um acht Uhr an.«
»Es gibt kein Geld, Blondie. So einfach ist das. Wann kapieren Sie das endlich?«
»Ich denke mir, daß Vargas mindestens eine halbe Million in dem Safe hatte, McKnight. Es kann auch mehr gewesen sein. Wenn dem so war, muß ich Ihnen vertrauen, daß Sie auch den Rest rüberwachsen lassen. Ich weiß, Sie sind ein ehrenwerter Mann. Sie sind auch der mit dem kühlen Kopf, deshalb würde ich es zu schätzen wissen, wenn Sie morgen die Verhandlungen auf Ihrer Seite führten. Wir sollten das ganz offen machen. Ich meine wirklich offen, kapiert? Sie sollten ein Boot bereithalten. Ich geben Ihnen die GPS-Koordinaten für eine Position draußen auf dem See. Dort werden wir Sie treffen.«
»Ich werde nicht da sein, Blondie. So läuft das nicht.«
»Ich denke, Sie werden dort sein, McKnight. Ich weiß, Sie sind ein einsamer alter Mann, ohne Familie, ohne irgendwen, der Ihnen wirklich wichtig ist. Außer einem einzigen Menschen vielleicht.«
»Wovon reden Sie?«
»Ich habe hier jemanden, mit dem sollten Sie mal sprechen.«
Es herrschte kurze Zeit Schweigen im Draht, und in diesem fürchterlichen Moment wußte ich, wer es sein würde, bevor er noch ein Wort gesagt hatte. Er hatte die Männer abgesetzt und war allein zurückgefahren. Wenn er es bis nach Hause geschafft hätte, würde er mich inzwischen angerufen haben. Ich war so wenig ich selber, daß mir das nicht aufgefallen war.
»Alex, ich bin es.«
»Jackie. Mein Gott. Jackie …«
»Es tut mir leid, Alex. Es tut mir leid.«
Kapitel 20
Auf meinem Weg zu O’Dells Kneipe fuhr ich bei Jonathan vorbei, um ihn mitzunehmen. Er kam die Hintertreppe hinunter und rieb sich die Augen. Sobald er mich erblickte, wußte er, daß etwas nicht stimmte. Während er sich anzog, ging ich auf den Parkplatz und sah mir Jackies Auto an. Die Fahrertür stand noch offen, und das Deckenlicht brannte. Ein Dutzend Motten umflatterten es. Die Nacht war kalt geworden.
Während ich fuhr, erzählte ich ihm, was ich wußte. Er hörte mir zu und sagte kein Wort. Schließlich, als ich fertig war, sagte er: »Und was machen wir jetzt?«
»Wir holen ihn zurück.«
»Wie?«
»Das weiß ich auch noch nicht.«
Als wir in O’Dells Kneipe ankamen, war Gill bereits da. Er saß mit Bennett und Ham an einem Tisch. Margaret schenkte ihm gerade Kaffee ein. Als Gruppe wirkten sie wie die müdesten und elendesten vier Menschen in der ganzen Welt. Es war fast drei Uhr morgens.
Als endlich alle saßen, Margaret eingeschlossen, wiederholte ich noch einmal, was mir Blondie am Telefon erzählt hatte.
»Wir sollen uns mit ihm auf offenem Wasser treffen?« sagte Bennett. »Wie verrückt ist der Typ?«
»Wie hat Jackie geklungen, als Sie mit ihm gesprochen haben?« wollte Gill wissen.
»So gut, wie man es erwarten konnte«, sagte ich. »Allerdings hat er nur ein paar Worte gesagt.«
»Warum rufen wir nicht die Polizei?« fragte Jonathan.
»Wir können die Polizei nicht einschalten«, sagte Bennett.
»Und warum nicht?«
»Wenn wir das tun, bringen sie ihn um«, sagte Bennett. »Das müssen wir schon selbst mit ihm ausmachen.«
»Scheiß drauf«, sagte Jonathan. »Ich rufe da jetzt an.«
Ham und Bennett standen beide auf, um ihn davon abzuhalten.
»Schon gut, lassen wir das«, sagte ich. »Jonathan, setz dich. Das mit der Polizei bleibt uns immer noch als Möglichkeit. Im Moment wüßte ich nicht mal, wen wir anrufen sollten. Wir wissen nicht, wo das sein wird, in Kanada oder den USA.«
»Scheiße, die Polizisten treten sich gegenseitig auf die Füße«, sagte Bennett. »Und für Jackie bedeutet es den Tod. Guckt euch doch nur mal an, was sie bis jetzt geschafft haben.«
»Jetzt alle mal ganz ruhig«, sagte ich. »Trinkt noch was Kaffee. Wir müssen uns was einfallen lassen.«
»Ich kann einiges an Geld aufbringen«, sagte Bennett. »Aber nicht so viel, und nicht in der kurzen Frist. Wir müssen ihm einfach klarmachen, daß wir es noch nicht zusammen haben.«
»Das kauft er uns nicht ab«, sagte ich. »Er denkt doch, daß wir das Geld längst haben.«
»Ich könnte Geld beschaffen«, sagte Gill. »Ich müßte mit Leuten von unserem Stamm sprechen.«
»Wir sollten niemandem
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