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Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Titel: Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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Grimassengretel
    Nirgends wird schöner gegrantelt als auf dem Land
    Wer richtig vom Leder ziehen will – also nicht nur dilettantisch rummaulen, sondern farbig, saftig, deftig und auf höchstem Niveau zetern –, dem reicht das gemeine Hochdeutsch nicht. Er muss eine Fremdsprache lernen. Und zwar eine deutsche Fremdsprache.
    Im Hochdeutschen herrscht nämlich ein trauriger Schimpfwortmangel, wie ein Blick in den Duden zeigt. Unter den beiden Zwillingsbegriffen »Idiot« und »Dummkopf« listet das Synonymwörterbuch insgesamt nur 68 Wörter. Dem Betrachter fällt schnell auf: Die allermeisten dieser Synonyme werden im Alltag nicht verwendet. In meinen 25 Jahren in Deutschland habe ich Worte wie »Boofke«, »Dämlack«, »Fetzenschädel«, »Grützkopf« oder gar »Klaus« im Zusammenhang mit einem ordentlichen Genörgel nie gehört. Und mit Verlaub, »Weihnachtsmann« und »Mondkalb« sind als Beleidigungen in der heutigen Zeit wirklich nicht zu gebrauchen. Auch wenn solche Beschimpfungen theoretisch zur Verfügung stehen, ist es in der Praxis doch so, dass die überwiegende Mehrheit der Hochdeutschsprecher ihr Leben lang über »Blödmann« und »Arschloch« nie hinauskommen.
    Nein, man muss mit einer gewissen Enttäuschung feststellen, dass zum Zwecke des Schimpfens das Hochdeutsche völlig unzulänglich ist.
    Zum Glück gibt es für den ehrgeizigen Nörgler, der sich nicht mit den engen Grenzen des Hochdeutschen abgeben will, Abhilfe. Das Rheinhessische Mundart-Lexikon von Hartmut Keil zum Beispiel erklärt rund 800 Schimpfwörter. Dabei hat das Buch insgesamt nur 2400 Mundartbegriffe – der Schimpfwortanteil macht ein stolzes Drittel aus.
    Wer auf Rheinhessisch mosern will, kann wahlweise »bebbern«, »breewele«, »knoddern« oder »mosere«. Wer das tut, ist ein »Knodderdibbe«, eine »Knodderbix« oder eine »Knoddergaaß« (Nörgeltopf, -büchse beziehungsweise -ziege). »Über ein Vorhaben sagen bei uns die Nörgler: ›Des werd nix‹«, erzählt der Mundartlexikograf Keil. »Wenn es dann wirklich nicht klappt, heißt es: ›Des hab isch glei gsaat.‹ Gelingt es doch, dann heißt es: ›Warum hädden des nix werre solle?‹«
    Den Schwaben dagegen stehen »bruddeln«, »schimpfen« oder »goscheln« zur Verfügung.
    »Das typisch schwäbische Wort für nörgeln ist ›bruddeln‹«, erklärt Wilfried Albeck, schwäbischer Mundart- und Nörgelexperte sowie Autor zahlreicher Bücher in Mundart, unter anderem Guat gmoint und saudumm gloffa . »Der Schwabe bruddelt, wenn er nichts zu arbeiten hat. Andere Leute sind froh und glücklich, wenn sie frei haben. Der Schwabe fühlt sich dann nicht wohl. Die Hausfrau erwartet, wenn sie gut gekocht hat, dass der Mann sie ein bisschen lobt. Es gibt den Ausdruck hier im Schwäbischen: ›Net bruddelt isch globt gnuag‹. Wenn der Mann gar nichts sagt, seinen Teller leer isst und vom Tisch verschwindet, dann hat es ihm geschmeckt. Das ist eine typische Aussage und typisches Verhalten. Das wird in Schwaben jeden Nachmittag tausendfach praktiziert.«
    »Wann haben Sie das letzte Mal gebruddelt, Herr Albeck?«, fragte ich.
    »Heute«, gestand er. »Es war beim Mittagessen. Es gab Schupfnudeln mit Sauerkraut. Es war natürlich gut, und ich habe den Teller leer gegessen, und als ich Dreiviertel fertig war mit dem Essen, sagte ich, ›das Kraut ist aber heut sauer‹. Am Anfang hätte ich es nicht sagen können, weil ich Hunger hatte und da schmeckt alles gut, aber wenn man schon satt ist, sucht man nach etwas, und man findet es auch.«
    »Besonders nörgelbegabt sind die Sachsen«, behauptete Stefan Schwarz, scharf beobachtender Satiriker in Leipzig, der gerade seinen nächsten Band Hüftkreisen mit Nancy vorbereitete, als ich ihn telefonisch vom Schreibtisch wegzerrte. »Nörgeln heißt auf Sächsisch ›ningeln‹. ›Ich mach dich ningelig‹ heißt ›ich mach dich fertig‹. Das Sächsische ist fürs Nörgeln prädestiniert, weil es aus harten Konsonanten wie K weiche Konsonanten wie G macht. Deshalb sagt man übers Sächsische: ›Die Weichen besiegen die Harten.‹ Zufällig könnte man genau diesen Satz auch als Motto für das Nörgeln nehmen. Die große Motivation des Nörgelns ist ja: ›Ich kann dich schwächen. Du bist mit Lust mit deinem Projekt an mich herangetreten und ich lasse dir seelenruhig die Luft raus.‹«
    Laut einer dieser Umfragen, die ab und zu auftauchen – diesmal von der Bild Zeitung ins Leben gerufen – war im Jahre 2009 Sächsisch

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