Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Titel: Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
Vom Netzwerk:
abhacken.‹«
    So extrem das türkische Nörgeln sein kann, so hat es doch auch eine unerwartet charmante Seite.
    Ich bat Arzu Toker, von ihrem schlimmsten Ehestreit zu erzählen. Ihr Ehemann ist Deutscher, und ich wollte gern wissen, was eine türkische Frau an einem deutschen Mann so alles auszusetzen, hat und wie sie das auf den Punkt bringt. Erst, als die Geschichte zu Ende war, verstand ich, was sie mit einem Ehestreit zu tun hatte.
    Die Geschichte ereignete sich ganz am Anfang ihrer Beziehung. Er hatte sich gerade frisch von seiner Frau getrennt und stellte Arzu zum ersten Mal seinen Freunden vor. »Und jedes Mal, wenn er mich vorstellte, sagte er, ›ich habe mich von meiner Frau getrennt, und zwar im Guten‹, und er war stolz darauf und erzählte von seiner wunderbaren Trennung. Und das passierte das nächste Mal, als wir bei seinen Freunden waren wieder, und ein drittes Mal auch. Irgendwann sagte ich: ›Ich möchte auch was erzählen.‹«
    Sie erzählte die Geschichte von einem Mann, der zum dritten Mal geheiratet hatte. Es war Sommer. Nach der Feier ging er mit seiner Frau nach Hause, und weil es heiß war, schliefen sie auf dem Dach. Nach einer Weile ertönte ein Krach, seine Freunde eilten herbei und sahen, dass seine neue Ehefrau vom Dach gefallen war. »Um Gottes willen, warum hast du deine Frau runtergeschmissen?«, fragten sie ihn.
    Er antwortete: »Das habe ich gar nicht getan. Wir lagen so dicht beieinander, dass kein Haar mehr zwischen uns gepasst hätte. Da kam ihr erster Mann, der so gut und toll war, legte sich zwischen uns und sagte zu mir: ›Ich hoffe, du bist auch so gut zu ihr, wie ich es war.‹ Dann kam meine erste Frau, sie legte sich auch zwischen uns und ermahnte mich ebenso, ein guter Ehemann zu sein. Dann kam ihr zweiter Mann und meine zweite Frau, bis so viele Leute zwischen uns lagen, dass es keinen Platz mehr auf dem Dach gab, und da fiel sie herunter.
    Danach haben seine Freunde nichts mehr davon gehört, wie toll die Trennung von seiner Frau war.«
    Je tiefer man in der Welt des Türknörgelns eindringt, desto mehr Ähnlichkeiten findet man zwischen Deutschen und Türken. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass die Deutschen gern über die Deutschen nörgeln? Die Türken tun das auch!
    »Wenn Türken in der Türkei über Politik nörgeln, dann geht es oft darum, dass es bei uns nicht so richtig demokratisch zugeht«, erklärte Erkan S., der in der Türkei aufgewachsen ist und seit einigen Jahren hier auf der Kabarettbühne steht. »Oder über Ehrenmorde, die zwar verboten sind, aber man findet immer einen Weg, dass der Mörder nach ein paar Jahren Knast wieder freikommt. Das sind alles schwierige Themen. Wenn die Türken in Deutschland über Politik mosern, ist es dagegen ganz einfach: Alle Politiker hier sind ausländerfeindlich.«
    »Wenn ein Türke was getrunken hat, dann Auto fährt und von der Polizei angehalten wird und eine Strafe zahlen muss«, sagte Ilhan Atasoy, der Dortmunder Komiker, der auch »König vom Borsigplatz« genannt wird, am Telefon, »dann sagt er meistens, ›er hat mich ja nur angehalten, weil ich Ausländer bin.‹ Er sagt nicht: ›Ich habe aber nichts getrunken‹ oder sonst eine Ausrede, wie vielleicht ein Deutscher das tun würde, sondern: ›Sie sind wohl ausländerfeindlich‹. Wenn türkische Jugendliche in der Straßenbahn gebeten werden, nicht so laut zu sein, sagen sie: ›Sind Sie Nazi?‹«
    »Allerdings ist es umgekehrt genauso«, fuhr er fort und kicherte. »Ich bin mal falsch in die Einbahnstraße hineingefahren und wurde angehalten. Der Polizist schaute mich streng an und sagte nicht, ›Sie fahren verkehrt herum in die Einbahnstraße‹, sondern: ›Gibt es bei Ihnen, wo Sie herkommen, keine Straßenverkehrsordnung?‹ Ich antwortete: ›Bei mir in meinem Dorf in Pakistan gibt es keine Straßen, nicht mal Autos, nur Elefanten.‹ Er wusste nicht, ob ich ihn verarsche oder nicht.«
    Das gilt nicht nur für den Straßenverkehr: Auch Politiker haben die Vorteile des Klischees des ausländerfeindlichen Deutschen entdeckt.
    »Das sah man auch bei diesem Brand in Ludwigshafen im Jahre 2008, als neun Türken ums Leben kamen«, erinnerte sich Atasoy. »Die Ermittlungen waren noch gar nicht in Gang gekommen, da stand schon in manchen türkischen Zeitungen: ›Verbrennen die Deutschen die Türken?‹ Sogar der Ministerpräsident Erdogan ist nach Ludwigshafen gefahren, um zu zeigen: ›Ich lasse euch nicht allein.‹ Es gibt übrigens auch in

Weitere Kostenlose Bücher