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Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Titel: Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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sich vor anderen Schauspielern zu profilieren:
    »Wenn ein Schauspieler nur eine kleine Rolle bekommt, beschwert er sich, dass er nicht beachtet wird«, berichtete Harald Schwamm, Schauspieler in der Pfalz. »Wenn er eine große Rolle in einem Stück hat, nörgelt er, dass er zu viel Text hat und ständig auf der Bühne sein muss. Das hat aber natürlich auch was damit zu tun, dass die Kollegen wissen sollen, dass man mehr Text hat.«
    »Im Designbereich behaupten ältere Kollegen gern, sie arbeiten nur für Kunden, bei denen sie voll und ganz hinter dem Projekt stehen können«, verriet mir die freie Designerin und Nörgelexpertin Adele G., »im Gegensatz zu den jungen Designern, die sich oft mit plumpen oder billigen Aufträgen abgeben müssen, auf die man nicht unbedingt stolz sein kann. Die älteren Kollegen produzieren angeblich immer nur ästhetisch wertvolle Designs. Sie behaupten, sie würden ihre Kunden zur Ästhetik erziehen und fordern ihre Kollegen auf, dies doch auch zu tun. Diese Arbeiten zeigen sie dann auf ihren Webseiten, aber was sie nicht zeigen, ist das ganze Zeug, mit dem sie wirklich ihr Geld verdienen.«
    Interessanterweise konkurrieren auch ganze Teams miteinander um Status.
    »Wenn zwei Abteilungen teilweise für das Gleiche zuständig sind, dann hält man die Arbeit des anderen meist grundsätzlich für schlechter«, beurteilte Adam A., ein osteuropäischer Werbetexter, der in der DDR aufgewachsen ist, die Lage. »Die zweite Abteilung ist dann daran schuld, dass sie die Arbeit der ersten Abteilung irgendwie ›verdorben‹ hat. Man selber hätte das natürlich alles besser gemacht.«
    Nörgeln unter Teammitgliedern ist auch in der Computer-Welt gang und gäbe. »Ein Programmcode, den man von anderen Programmierern übernimmt, um ihn weiterzuentwickeln, wird gern schief angesehen«, sagte Ricardo Oliveira, Computer-Programmierer in Frankfurt am Main, nachdem ich endlich zu ihm durchgestellt worden war. »Dann heißt es einfach, ›das ist ein schlechter Code‹, obwohl jeder weiß, dass jeder Programmierer eine eigene Handschrift hat. Beim Codeschreiben gibt es bestimmte Regeln, wie in der Grammatik, wo es zum Beispiel heißt, man solle nicht zu viele Nebensätze in einen Satz packen. Aber manchmal geht es eben nur mit Nebensätzen. Es gibt auch bestimmte philosophische Ansätze, wie ein Code auszusehen hat. Jeder hat da etwas andere Vorlieben.«
    Teaminternes Nörgeln ist speziell angesagt, wenn ein Teil des Teams gerade nicht anwesend ist.
    »Bei mir im Haus ist das Thema Urlaubsvertretung besonders beliebt«, meinte Richard D. zum Thema. »Was muss man als Vertretung alles tun? Hat einem der Kollege in Urlaub alle seine alten, verbockten, liegengebliebenen Akten hinterlassen, die er nicht machen wollte? Und die neuen Aufgaben, die hinzukommen, da stellt sich doch die Frage: Ist man überhaupt dafür zuständig?«
    Manchmal weitet sich das teaminterne Nörgeln zum Dauerzwist aus. Es gibt wohl wenige Menschen, die in der Gastronomie arbeiten, die den traditionellen Krieg zwischen Kellnern und Köchen nicht kennen. »Es gibt da dieses ständige Angemache«, bestätigte René Maak, Koch, Schlagzeuger und selbst begnadeter Nörgler. »In der Küche sind Kellner immer Zielscheiben des Spotts. Sie bringen das Essen nicht schnell genug weg, sie vermasseln die Bestellungen, sie leiten Komplimente nicht an die Küche weiter, sie teilen ihr Trinkgeld nicht mit den Köchen. Aber irgendwann muss der Kellner auch selber Mittag machen. Dann gibt’s die Retourkutsche. Ich will keine Namen nennen, aber man sagt, gewisse Köche sind so weit gegangen, dass sie speziell für ihre Kellner neue Putzlappen frisch aus der Verpackung paniert und ihnen als Schnitzel serviert haben.«

    Nicht nur untereinander, sondern auch mit dem Chef konkurriert man um Status.
    Im Büro ist die Hackordnung nur scheinbar festgelegt. Zwar hat der Chef vordergründig immer das Sagen, doch seine Autorität ist nur oberflächlich. Es gibt eine andere, höhere Autorität, nämlich die der überlegenen Moral oder des verfeinerten Geschmacks oder der schärferen Intelligenz, die man nur durch Nörgeln demonstrieren kann. Wer diese höhere Autorität für sich gepachtet hat, ist der heimliche Nörgelchef.
    »Da war diese Kollegin, sie machte ihre Chefs dermaßen fertig, es war unglaublich«, erinnerte sich David P. »Sie kannte das gesamte Berufsgenossenschaftsgesetz auswendig. Da hieß es ständig: ›Hiermit zeige ich Ihnen nach

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