Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)
nach den Sternen greife. Was ist das für eine Botschaft? Zu Hause in Amerika habe ich immer gelernt, dass man alles bekommen kann, was man will, wenn man sich nur anstrengt. Jetzt strenge ich mich schon fünfzehn Jahre lang an, und Sie wollen, dass ich aufgebe.« Von keinem der Therapeuten bekam ich eine Antwort. Ich winselte: »Das wäre doch eine Kapitulation.«
In dieser Hinsicht stimmten sie mit mir überein.
»Es ist schon eine Kapitulation vor der Realität, wenn man akzeptiert, dass der Partner nicht ist, was man will«, räumte Monika Stützle-Hebel ein. »Genau diese Idee, dass man den anderen zum perfekten Partner erziehen will, hat viel damit zu tun, was heute oft diagnostiziert wird: Dass wir im Zeitalter der Narzissten leben.«
Sie erklärte, dass uns heute von allen Seiten beigebracht wird, dass wir alles bekommen könnten und alles sein könnten, was wir wollen – »wenn wir nur fest genug daran glauben«, fügte sie an. Wir haben keine Ahnung von Management, meinte sie, wären aber besser als unser Chef, wenn man uns nur ließe; auf dem Fußballplatz kippen wir schon nach 20 Minuten um, aber was Ballack alles falsch macht, das wissen wir; es gibt nicht die klitzekleinste Andeutung, dass wir singen könnten, aber wir melden uns bei Deutschland sucht den Superstar an. Na gut, ich kenne in meiner Bekanntschaft zwar niemanden, der sich jemals bei DSDS angemeldet hat, dafür aber etliche, die sich nie mit einer Partnerin zufriedengeben würden, die nicht annähernd so aussieht wie ein Model. Dabei sehen sie selbst eher aus wie eine Mischung aus Alice Cooper und Fozzie Bär.
»Es ist schon kränkend zu merken, dass wir nicht die Götter sind, denen alles zufliegt«, sagte Stützle-Hebel mitfühlend. »Angelina Jolie können Sie aber nicht haben. Und Sie können erst recht nicht Ihre Partnerin dazu machen.«
»Jetzt haben Sie mir jede Hoffnung genommen«, murmelte ich.
»Das ist deprimierend, das stimmt, aber Sie werden nicht glauben, wie fröhlich Sie werden, wenn Sie das akzeptieren«, meinte sie munter.
Vielleicht hatte sie recht, immerhin war ich noch am Leben. Mir fiel die Frau wieder ein, die überzeugt gewesen war, sie würde ihren ewig nörgelnden Mann eines Tages noch totschlagen.
Ich fragte Fritz B. Simon, was aus ihr geworden war.
»Wir sprachen darüber«, antwortete er. »Ich habe genau abgefragt, wie die Eskalation zwischen den beiden immer entstanden ist, was die Stufen waren, was genau jeder Partner dazu beitrug. Man kann sich ja nur dann gegenseitig so auf die Palme bringen, wenn man den anderen gut kennt. Man weiß ganz genau, auf welche Knöpfe man drücken muss. Ist das einmal offengelegt, kann man einander beim nächsten Mal nicht mehr so leicht manipulieren. Der andere weiß, was man tut, und man selbst weiß es auch. Man steht darüber, und es macht keinen Spaß mehr. Man kann nicht mehr so tun, als sei man das Opfer, wenn man bewusst sieht, was man selber dazu beiträgt. Als den beiden klar wurde, wie das funktioniert, hatte die Frau keine Angst mehr, irgendwann auszurasten.«
»Wie lange hat das gedauert?«, fragte ich. Ich rechnete mit 15 Jahren.
»Drei Sitzungen«, sagte er.
Es war ein Fehler, diese Leute anzurufen. Sie hatten überhaupt kein Verständnis für Nörgler. Ich fragte mich, ob diese Anti-Nörgel-Einstellung Schule macht. Bei meinen Nachforschungen stieß ich auf einen beängstigenden Trend: Das war nur die Spitze des Eisbergs. Es existiert eine regelrechte Anti-Nörgel-Industrie.
16 . Die Gute-Laune-Mafia
Wie skrupellose Geschäftsleute ehrliche Bedenkenträger ausbeuten
Sie sollten wissen: Nicht alle schätzen ein kritisches Bewusstsein. Es gibt hinterlistige Menschen, die den Nörgelbemühungen der restlichen Welt mit Beharrlichkeit und großer Raffinesse entgegenwirken.
Bekanntlich gilt meine Heimat Amerika weltweit als Land der Optimisten und Gutgelaunten. Dort haben Typen Hochkonjunktur, die die Chuzpe besitzen, etwas Neues auf die Beine zu stellen, Ideen zu verfolgen, eisenhart ihr Ding durchzuziehen – allein bei dem Gedanken bin ich bereits erschöpft –, ohne sich von Zweiflern, Bremsern und Neidern entmutigen zu lassen, so lange, bis alle um sie herum in ihren Grundfesten völlig erschüttert sind.
Zwei meiner Landsleute haben diese perfide Bewegung losgetreten. Dale Carnegie begann 1936 mit Wie man Freunde gewinnt: Die Kunst, beliebt und einflussreich zu werden und Norman Vincent Peale 1952 mit Die Kraft positiven Denkens abstruse
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